Heikler Gastredner

In Hessen protestierten die Opposition aus SPD und Grünen gegen CDU-Applaus für Rechtshistoriker Baring

WIESBADEN taz ■ Der hessische Landtag hat gestern seine Sitzung nach heftigen Protesten der Opposition unterbrechen müssen. Die Empörung richtete sich gegen den CDU-Fraktionsvorsitzenden Christean Wagner. Er hatte sich hinter Äußerungen des Berliner Historikers Arnulf Baring (74) gestellt, der den Nationalsozialismus als „eine historische Entgleisung“ bagatellisiert und nicht Integration, sondern „Eindeutschung“ von Einwanderern gefordert hatte.

Außerdem sagte Baring in der vergangenen Woche, die Judenvernichtung im Nationalsozialismus „einzigartig und unvergleichbar“ zu nennen, das sei „eine Übertreibung“ und „Sünderstolz“, der eine „merkwürdige Art der Überheblichkeit“ sei.

Baring war als Gastredner der hessischen CDU bei deren Auftakt der Veranstaltungsreihe „Was uns leitet – Eckpfeiler einer bürgerlichen Kultur“ im Wiesbadener Landtag aufgetreten. 150 Teilnehmer applaudierten. Wagner dankte Baring für dessen Beitrag, der „vielen aus dem Herzen gesprochen“ habe. Er habe „ohne Tabus“ in einem „Plädoyer“ auch „Meinungen artikuliert, die vor 10, 20 Jahren überhaupt noch gar nicht zugelassen waren im öffentlichen Bereich“.

SPD und Grüne reagierten empört. Zum Krach kam es gestern während einer Aktuellen Stunde nach einer flammenden Rede der SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti, die der CDU vorwarf zu den „ideologischen Förderern des Rechtsextremismus“ zu gehören. Wagner rechtfertigte daraufhin die Baring-Rede und warf SPD und Grünen vor, ein „gespaltenes Verhältnis zur Freiheit der Rede“ zu haben. Die Baring-Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen. SPD und Grüne forderten eine Veröffentlichung des Mittschnitts der Baring-Rede und die Stellungnahmen von Ministerpräsident Koch und Bundeskanzlerin Merkel. Wagner müsse auf Bundesebene aus der CDU-Programmkommission zurücktreten. HEI

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