Jugendliche in der Warteschleife

Die Zahl der Ausbildungsplätze hat leicht zugenommen. Trotzdem sind viele Jugendliche nur vorübergehend beschäftigt: in Betriebspraktika und Ähnlichem

BERLIN taz ■ Es geht aufwärts auf dem deutschen Ausbildungsmarkt, meldet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Forschungsinstitut der Arbeitgeberverbände – nicht genug, findet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).

4.000 zusätzliche Lehrstellen erwartet das IW im Jahr 2006, damit steigt das Angebot gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Prozent. Die Zahl der Bewerber ist um 0,2 Prozent gesunken. Das IW rechnet deshalb damit, dass die Zahl derjenigen, die keinen Ausbildungsplatz finden, etwas kleiner sein wird als 2005. „Gemessen am wirklichen Bedarf ist das aber kein Durchbruch“, sagte Hermann Mehls, Sprecher des DGB, der taz.

Bei 30.000 fehlenden Lehrstellen liegen die offiziellen Zahlen. Nicht mit eingerechnet sind dabei aber die Suchenden, die vorübergehend eine andere Beschäftigung gefunden haben. „Die Zahl derjenigen, die eigentliche eine Lehrstelle wollen, sich aber in einer Warteschleife befinden, liegt weit über 100.000“, erklärt Mehls. „Die 30.000, die gar nichts haben, sind nur die Spitze des Eisbergs.“

Für Jugendliche, die bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz gescheitert sind, hat die Wirtschaft so genannte Einstiegsqualifizierungen bereitgestellt. 2003 wurden diese sechs- bis zwölfmonatigen Betriebspraktika von Wirtschaft und Bundesregierung im Rahmen des Ausbildungspakts geschlossen. 19.800 solcher Stellen wurden in diesem Jahr besetzt. Über 60 Prozent der Absolventen wurden dann in den Betrieb übernommen. „Diese betriebsnahe Berufsvorbereitung ist dann sehr sinnvoll, wenn alle Vermittlungsbemühungen gescheitert sind“, findet Mehls.

In der Warteschleife landen aber nicht nur diejenigen, die keinen Schulabschluss haben. Nach Rechnungen des Statistischen Bundesamts machen auch über die Hälfte der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss und mehr als ein Viertel der Jugendlichen mit Realschulabschluss ein Berufsvorbereitungsjahr.

Michael Hüther, Direktor des IW, begründet das mit der schlechter werdenden Bildung der Jugendlichen. Er rechnet damit, dass allen „geeigneten Bewerbern“ in diesem Jahr einen Ausbildungsplatz angeboten werden kann. „Geeignet“ seien aber immer weniger, meint er und beklagt er eine „mangelnde Ausbildungsreife“ vieler Jugendlicher. „Der Ausbildungsmarkt kann nicht mehr unabhängig gesehen werden von dem, was in den Schulen passiert“, fordert Hüther. Die Einstiegsqualifikationen seien also die logische Antwort auf die Entwicklung des Schulsystems.

Die Qualifizierung der Jugendlichen, meint dagegen Herman Mehls vom DGB, hänge auch vom Angebot ab. „Wenn es nur begrenzte Auswahlmöglichkeiten gibt, nehmen die Jugendlichen eben, was sie kriegen können“, sagt er, „auch, wenn sie dafür dann noch nicht qualifiziert sind.“ SOPHIE HAARHAUS