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: Der unnachsichtige Bankenaufseher

Die kurze Geschichte des neuen Russland zeigt: Ein Posten an der Spitze der Zentralbank dieses Landes macht seine Inhaber schnell grau und aufgedunsen. Andrei Koslow war da keine Ausnahme. Außergewöhnlich für diesen gewöhnlich gut bewachten Personenkreis ist sein Tod. Der 41-jährige Vizechef der Zentralbank wurde ermordet. Er starb gestern früh an den Folgen des Attentats. Zwei Unbekannte hatten am Mittwochabend im Nordosten Moskaus in der Nähe des Stadions des Vereins Spartak auf ihn geschossen, nach einem Fußballspiel, an dem leitende Zentralbankangestellte teilnahmen. Koslow und sein Fahrer waren gerade dabei, Sachen im Kofferraum zu verstauen. Der Fahrer starb auf der Stelle.

Als Chef der Bankenaufsicht agierte Koslow in einem Bereich, in dem Konflikte vorprogrammiert sind. Er galt als Anhänger „harter Maßnahmen“. Zuletzt schlug er vor, alle Bankiers, die bei Steuerhinterziehung oder Geldwäsche erwischt würden, bis zum Ende ihres Lebens mit Berufsverbot zu belegen. Allein im laufenden Jahr hatte er bereits 40 Banken die Lizenz entzogen.

Andrei Koslow hinterlässt eine Frau und drei Kinder. In den Klatschspalten der Presse tauchte er nicht auf. Sein Lebenslauf scheint gradlinig. Das Studium mit Schwerpunkt internationale Wirtschaftsbeziehungen unterbrach er für den Dienst in der Armee. Danach erklomm er die Karriereleiter erst in der Staatsbank der UdSSR, später in der Zentralbank der Russischen Föderation.

Die Ansichten russischer Kommentatoren gehen in der Frage auseinander, ob die Hintermänner der Tat sich von geschäftlichen oder politischen Interessen leiten ließen. In einem Land, in dem der Oligarch Michail Chodorkowski als Hauptkonkurrent des Präsidenten unter Anklage der Steuerhinterziehung und Geldwäsche ausgeschaltet wurde, kann auch eine Bank aus politischen Gründen geschlossen werden.

Angestellte der Zentralbank wiesen in ersten Reaktionen darauf hin, dass alle Beschlüsse dort nicht von Einzelnen, sondern in Gremien gefasst würden. Alexander Chandurjew, selbst einst Zentralbank-Vize, sagte in einem Interview mit Radio Echo Moskwy: „Es geht mir nicht in den Kopf, dass es für irgendjemand aus der Banken-Community vorteilhaft gewesen wäre, auf diese Weise seine Probleme zu lösen. Alle Bankeninhaber, denen eine Lizenz fortgenommen wurde, konnten sich ja eine andere Bank kaufen.“ Er fügte hinzu, dass Koslows Tod allerdings für den Staat als Signal dienen könnte, das Bankensystem seiner totalen Kontrolle zu unterwerfen.

Die russische Regierung ehrte Andrei Koslow gestern mit einer Schweigeminute.

BARBARA KERNECK