Geheimdienstterror

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Ein in Bremen geborener Türke, ein Deutscher mit zusätzlichem syrischem Pass, ein Italiener: Die drei Fälle unterscheiden sich in vielen Details und lassen doch ein erschreckendes Muster erkennen. Murat Kurnaz wurde kürzlich aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo entlassen, Mohamed Zammar sitzt in Syrien in Haft, Abou Elkassim Britel in Marokko. Während die zuständigen Botschaften Italiens, Deutschlands und der Türkei sich monatelang nicht um ihre von der Bildfläche verschwundenen Landsleute kümmerten und auf Anfragen besorgter Verwandter nicht reagierten, waren ihre Geheimdienste umso eifriger.

Deren Mitarbeiter besuchten die ohne Anklage Verschleppten in Gefängnissen, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen, und führten gemeinsam mit dortigen Geheimdienstkollegen Verhöre durch. Gül Pinar, die Anwältin des im Oktober 2001 in Marokko verhafteten Hamburgers Mohamed Zammar, schilderte die Odysee ihres Mandanten gestern im EU-Ausschuss, der die Zusammenarbeit europäischer Regierungen mit dem US-Geheimdienst untersucht. Danach sagte sie der taz: „Man gewinnt den Eindruck, dass wir es hier mit einer internationalen terroristischen Vereinigung aus Geheimdienstmitarbeitern zu tun haben.“

Ihr Kollege Bernhard Docke, der den im August aus Guantánamo entlassenen Murat Kurnaz vertritt, äußerte sich zurückhaltender. „Wenn Kurnaz Deutscher wäre, hätte er bereits 2002 nach Hause zurückkehren können.“ Zum Fall des Deutschen Mohamed Zammar sagte Docke: „Ich kann nur hoffen, dass daraus kein Muster wird. Das Engagement für Landsleute im Ausland darf nicht davon abhängen, ob jemand unter einem bestimmten Tatverdacht steht. Die Frage der Schuld oder Unschuld ist völlig unabhängig von der Frage, ob ihm Rechtsvertretung durch seine Botschaft zusteht.“

Zammar wird von den deutschen Ermittlungsbehörden als Schlüsselfigur der islamistischen Szene angesehen. Er soll den Kontakt zwischen Ussama Bin Laden und den Todespiloten des 11. 9. hergestellt haben. Beweise allerdings fehlen. Nach deutschem Recht reichte es nicht einmal für einen Haftbefehl. Anfang Dezember 2001 wurde Zammar in Marokko kurz vor der Rückreise nach Deutschland verhaftet und wenig später von der CIA nach Damaskus ausgeflogen. Er landete im berüchtigten Geheimgefängnis Far-Filastin. Erst zweieinhalb Jahre später gelang es dem Roten Kreuz, ihm einen Brief seiner Familie zu übermitteln.

Auf die Frage eines Abgeordneten, warum Zammar ihrer Meinung nach von der CIA nicht nach Guantánamo gebracht wurde, antwortete seine Anwältin: „Historisch haben die deutschen Geheimdienste engere Verbindungen zu ihren syrischen Kollegen als zur CIA. Sie wollten den Zugang zu ihrem Gefangenen behalten.“ Der liberale italienische Abgeordnete Giulietto Chiesa fragte am Ende ungläubig: „Habe ich das richtig verstanden, dass es Schurkenstaaten wie Syrien sind, die ja der Achse des Bösen zugerechnet werden, die dann ausgesucht werden, um des Terrorismus verdächtige europäische Staatsbürger zu verhören?“ Ja, das hat der Abgeordnete Chiesa ganz richtig verstanden.