Ein Sieg, den keiner vergessen darf
: KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN

Kampf lohnt sich. Das ist die Botschaft der Hafenstraße, wie sie sich 25 Jahre nach der Erstbesetzung der Häuserzeile am Hamburger Hafenrand formulieren lässt – auch mit etwas Abstand.

Dieser Abstand ist dabei unbedingt nötig, um all die Ungereimtheiten und Peinlichkeiten im gigantischen Symboltheater Hafenstraße kurz zu vergessen: Die Selbstgefälligkeit der Hafenstraßen-Szene, die kein berechtigtes Interesse von irgendwem sonst kannte. Da geriet noch der Brief mit der Stromrechnung zum unverschämten Angriff des Schweinesystems auf den frisch eroberten Freiraum. Dann der eitle Stolz, wenn der Senat nachgab – eben noch Bullenstaat, plötzlich windelweiche Sozialdemokraten. Und so weiter.

Es waren zum beträchtlichen Teil die bespotteten bürgerlichen Hafenstraßen-Fans, die die Hafenstraße selbst davor bewahrten, an linksradikalen Nickeligkeiten und Neurosen zu ersticken. Wenn auch noch ein Tennisstar Boris Becker seine Solidarität offen zeigte, verband sich plötzlich der spezielle Wertehorizont in St. Pauli-Süd mit dem des verpönten Mainstreams. Im umkämpften Terrain selbst war eben nicht zu jedem Zeitpunkt klar, dass es um mehr ging als die Feindschaft zum Hamburger Senat.

Gesiegt aber hat die Hafenstraße allein. Ihre Bewohner haben bewiesen, welche gesellschaftliche Gestaltungskraft Hausbesetzungen entwickeln können. Bis heute wissen die meisten Hamburger: Stadtplanung bedeutet Ein- und Ausschluss von Menschen. Und: Auch Schlechtverdiener haben Anspruch auf attraktive Wohnlagen. Und: Nischenkulturen sind schützenswert. Darum wäre es wiederum nickelig, den alten und neuen Bewohnern vorzuwerfen, sie seien bloß im „Schöner Wohnen“ angekommen, Hafenpanorama inklusive.

Es ist auch nicht Schuld der Hafenstraße, dass Hamburgs Tourismuswirtschaft von den berühmten bemalten Fassaden profitierte, dass der Kapitalismus also noch seine erbittertsten Gegner als Dekor zu nutzen versteht. Im Gegenteil: Gerade weil die Besetzer sich weder verdrängen noch missbrauchen ließen, sondern begehrten Wohnraum erstanden, haben sie Recht behalten. Hoffentlich wird dieser Sieg nicht so bald vergessen.