Gregor Gysi nervt die SPD nervt Gregor Gysi

ROT-ROT Sozialdemokraten laden Gregor Gysi zu sich ein, um ihn anschließend wieder auszuladen. Hä?

BERLIN taz | Eine kleine Spitze mag sich Gregor Gysi dann doch nicht verkneifen. Inhaltlich bedauere er die Absage natürlich, schreibt er in einem Brief an die beiden SPD-Netzwerker. Dann schiebt er nach: Er selbst hätte ein Gespräch mit Sozialdemokraten nicht abgelehnt, nur weil die eine andere Meinung zur Ukraine hätten. „Ich erwarte eben keine Unterordnung.“

Die giftige Antwort des Fraktionschefs der Linken an die SPD-Abgeordneten Eva Högl und Martin Rabanus ist das vorläufige Ende einer zarten Annäherung. Högl und Rabanus sind Sprecher des Netzwerks Berlin, einer Strömungsorganisation innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Das politisch pragmatische Netzwerk plante in dieser Woche ein besonderes Ereignis. Gysi sollte bei einem Netzwerktreffen reden. Zum Gedankenaustausch. Das Thema: „Die Zukunft von Rot-Rot-Grün“. Weil Gysi dort als erster prominenter Bundespolitiker der Linkspartei zu Gast gewesen wäre, hatte das einigen Symbolwert.

Doch aus dem Plauderstündchen wird nichts. Am Montag sagten Högl und Rabanus das Gespräch wieder ab. Sie sähen „zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Grundlage mehr für ein sachliches und ernsthaftes Gespräch“, schrieben sie ihm. Eine verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik sei für sie „unerlässliche Voraussetzung für jede Form von künftiger Zusammenarbeit.“ Dafür sähen sie „nach Bewertung der Lage in der Ukraine“ durch Gysi und die Linksfraktion keine Ansatzpunkte mehr.

Der Affront ist Höhepunkt eines außenpolitischen Hickhacks, bei dem sich SPD, Grüne und Linke mit scharfen Vorwürfen überziehen. Die Linke isolierte sich mit steilen Thesen zur Ukraine. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht behauptete etwa, die Kanzlerin und der SPD-Außenminister stützten in Kiew eine Putschregierung aus Neofaschisten und Antisemiten.

Die Attacken wertet man in der SPD als Beleg dafür, dass die Linke in Sachen Außenpolitik nicht zurechnungsfähig ist. Die Ironie: Mit Gysi stoßen die Netzwerker ausgerechnet den ausgewiesenen Zentristen innerhalb der Linken vor den Kopf. Und so hat die Sache am Ende doch wieder Symbolkraft: Selbst die Pragmatiker beider Seiten schaffen es nicht, bei einem Streit ein vernünftiges Gespräch miteinander zu führen. ULRICH SCHULTE