Auf Wohnungssuche (4)
: Zu resistent

Es war aber auch zu dämlich

Es war ein sonnenschwangerer, unheilvoller Sonntag, an dem ich in der zweiten Wohnung stand, die ich mir anschaute. Ich hatte das Pech, der einzige Interessent zu sein. Somit war ich nämlich der Aufmerksamkeit des speckigen Maklers ausgesetzt. Eine unangenehme Type, man merkte es gleich, er spielte auf so eine schmierige Art mit seinen Schlüsseln und beschwerte sich, dass ich nicht wie die anderen Opfer gleich eine schöne Bewerbungsmappe mit dem nötigen Krempel samt Aids-Test und Impfpass mitgebracht hatte.

„Die Fenster und Türen sind bitte nicht zu öffnen“, wies er dann noch wundersamerweise an. Die Wohnung selbst lag gleich gegenüber der Kreuzung, auf der ich später das schönste Mädchen aller Zeiten sehen sollte, hatte aber einen bemitleidenswerten Fußboden. Sie war außerdem zu teuer. Kein Wunder, dass ich der einzige Interessent war. Eine halbe Stunde später stand ich mit dreißig anderen Leuten zwei Seitenstraßen weiter und wartete auf den nächsten Termin. Und wer kommt da um die Ecke? Richtig, der speckige Makler. Die Karten hätten bessere sein können.

Tatsächlich ließ er auch diesmal den Spruch mit den Fenstern und Türen, die nicht zu öffnen seien, los; aber diesmal hatte sich eine selbstbewusste Dame über das Verbot hinweggesetzt. Es war leider die Dame, die vor mir die Wohnung betreten hatte und mich somit gleich in einen moralischen Konflikt stürzte. Denn jetzt legte sie sich mit dem Makler an. Der sie natürlich der Wohnung verweisen wollte – der Türen halber. Aber sie wollte nicht gehen. Die anderen Interessenten schwammen um den Krisenherd drum herum, bloß ich musste warten, weil die konfliktgeile Dame im Weg stand – in der Tür, aus der sie der Makler jetzt scheuchen wollte, ihres „resistenten Verhaltens“ wegen. Es war aber auch zu dämlich. Die Wohnung war ziemlich klasse. Natürlich habe ich sie nicht bekommen. RENÉ HAMANN