Reichliche Herbsternte

ÜBERRASCHUNG II Der SC Freiburg ist nach dem 3:2-Sieg gegen äußerst lethargische Kölner ganz mit sich im Reinen. Mit seinem Tempofußball nähert sich das Team den Idealvorstellungen von Trainer Robin Dutt an

FREIBURG taz | Lukas Podolski stürmte los. Unwiderstehlich drängte er in die gegnerische Hälfte, begleitet nur von den verdutzten Blicken der Freiburger Spieler, die diesem Antritt nichts entgegenzusetzen wussten. Dann pfiff der Schiedsrichter. Bedauerlicherweise war der Nationalspieler ein paar Sekundenbruchteile vor dem Anpfiff losgerannt.

Es passiert in der Bundesliga nicht eben häufig, dass ein Anstoß wiederholt werden muss, weil ein Stürmer einen Frühstart hinlegt. Noch seltener dürfte es allerdings vorkommen, dass die energischste Aktion eines Spielers vor dem Anpfiff zu verzeichnen ist. Nur einmal sollte Podolski aufs Tor schießen. Selbst in den wenigen aussichtsreichen Situationen traute er sich nicht in Eins-gegen-eins-Situationen. Die wären aber meist die einzige Kölner Chance gewesen, denn wie so oft in der Vergangenheit wurden die wenigen Offensivkräfte allein gelassen. Das – und nicht die erneut schwache Leistung des prominentesten Kölners – war spielentscheidend. Es genügen ja offenbar schon die zehn besseren Minuten nach dem geglückten Ausgleich, um Coach Zvonimir Soldo sinnieren zu lassen, ob man da nicht „vielleicht zu viel gewollt“ habe.

Auch als der FC längst hinten lag, wurden die Freiburger Spieler erst hinter der Mittellinie attackiert, blieben in der Vorwärtsbewegung sechs, sieben Feldspieler in der eigenen Hälfte. Gegen eine Freiburger Mannschaft, die nun bereits im sechsten Spiel in Folge eine läuferisch wie spielerisch beeindruckende Vorstellung ablieferte, ist eine solche Hasenfüßigkeit so ziemlich die schlechteste Gegenmaßnahme. Schon nach elf Minuten stand es 2:0 für den SC (Jan Rosenthal, 4., 11.). Dass die Partie überhaupt noch einmal spannend wurde, lag an SC-Keeper Simon Pouplin, der einen Schuss von Mato Jalalo nach vorne abwehrte (Youssef Mohamad, 22.). Nachdem Adam Matuschyk gar zum 2:2-Ausgleich (50.) getroffen hatte, schien doch noch mal alles gut gehen zu können an diesem Nachmittag. Doch dann traf Papiss Cissé zum 3:2 (70.). „Wir sind mittlerweile so gefestigt, dass wir auch nach dem 2:2 ruhig geblieben sind“, sagte Cédric Makiadi. Als der Mittelfeldmann gefragt wurde, was für den Sieg seines Teams entscheidend gewesen sei, überlegte er nur kurz und sagte dann: „Ich glaube, wir haben den Sieg mehr gewollt.“ Dass das eine messerscharfe Analyse war, ist vielleicht das Hauptproblem des 1. FC Köln.

Der SC ist dieser Tage völlig mit sich im Reinen, nach dem schwachen ersten Spiel gegen St. Pauli spielt das Team nun den kombinationssicheren Tempofußball, der der Idealvorstellung des Trainers nahekommt. Dementsprechend gelöst machte sich der SC-Tross am Sonntag dann auch zu einer regional geprägten Version des üblichen Auslaufens auf. Mit Rebschere und Gummistiefeln ausgestattet traf sich die Mannschaft im Kaiserstuhl, um einer der insgesamt über 20.000 badischen Winzerfamilien bei der Weinlese zu helfen.

CHRISTOPH RUF