„Berufliche Vernichtung“

ÖFFENTLICHKEIT UND DEMOKRATIE Ein Kongress beleuchtete, wie mit denen umgegangen wird, die auf Missstände aufmerksam machen

Whistleblower riskieren viel, weil sie gegen den Strom schwimmen

AUS BERLIN DANIEL BOUHS

Wie ergeht es eigentlich einem, der nicht tatenlos zuschauen will, wie Steuerzahler ihr Geld vor dem Fiskus verstecken? Einem, der auch noch Steuerfahnder ist? Einem, wie Rudolf Schmenger, der sich 2001 gegen eine interne Anweisung des hessischen Finanzministeriums stellte, weil er glaubte, mit dieser Anweisung würden bloß reiche Steuersünder geschont?

„Für mich begann damit meine berufliche Vernichtung.“ So sieht es Schmenger heute, dem einst der Kragen platzte und der seinen Dienstherren schrieb, von ihm werde de facto „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ verlangt. Schmenger sitzt in den Berliner Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung und erzählt gut zwei Dutzend Teilnehmern des Kongresses „Öffentlichkeit und Demokratie“ von seinem Schicksal. Stichwort hier: so genannte Whistleblower, die viel riskieren, weil sie gegen den Strom schwimmen, um Grundzüge unserer Demokratie hochzuhalten.

Schmenger sagt, er sei „vom belegten Vorzeigebeamten zum Kollegen mit obstruktiven Neigungen“ herabgesetzt worden.

Während Hessens Verwaltung, die sich vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags zu der Affäre rechtfertigen muss, stets angibt, alles sei korrekt gelaufen, ist Schmenger nach eigener Aussage dies widerfahren: Er lehnte eine disziplinarische Bestrafung ab, wurde danach von einem Arzt als psychisch krank eingestuft, der längst für Gefälligkeitsgutachten verurteilt wurde, schließlich zwangspensioniert – und arbeitet heute als Steuerberater, von der zuständigen Kammer mit ärztlichem Gegengutachten als topfit beurteilt.

Die Politik streitet noch darüber, ob Schmenger einer von vieren oder von fünfen war, die so behandelt wurden. Otto Jäckel, Anwalt und Organisator des Whistleblower-Preises, konstatiert: „Hier tritt ein großes Defizit an Schutz für Menschen zutage, die Missstände nicht einfach hinnehmen wollen.“

Whistleblower haben hierzulande offensichtlich keinen guten Stand. Vor allem Menschen nicht, die mehr unternehmen als bloß aus dem Verborgenen heraus Dokumente auf Plattformen wie Wikileaks zu stellen. Menschen, die vielmehr von Anfang ganz offen ihr Gesicht zeigen.

Schmenger sagt, er habe das Glück gehabt, auf der Polizeischule psychologisch geschult worden zu sein, um Steuerbetrügern zusetzen zu können. „Da geht man auch mit persönlichem Stress anders um als der Normalbürger.“ Wer eine Affäre offenlege, der müsse in der Lage sein, „die Folgen persönlicher Diffamierung in der Familie aushalten“, sagt Schmenger, „in der Nachbarschaft, bei Freunden“.

Am Wochenende diskutierten mehrere hundert Engagierte, wie eine „Öffentlichkeit von unten“ funktionieren kann – vom Bahnprojekt „Stuttgart 21“ über „Barrieren des Informationszugangs und ihre Überwindung“ wie zum Beispiel bei Amtsgeheimnissen.

Was aber die ertragen müssen, die sich für die Sache einsetzen, befremdet mitunter die, die auf Transparenz setzen. „Wir müssen um Schutz ringen“, mahnt deshalb Jäckel. „Hinweisgeber dürfen nicht dafür sanktioniert werden, wenn sie sich an die Öffentlichkeit wenden.“

Die taz war Medienpartner des Kongresses. Und noch jemand outete sich sich als großer Verfechter von Whistleblowing und engagiertem Journalismus: Konstantin Neven DuMont, Verlagserbe und Vorstand der gleichnamigen Zeitungsgruppe (u. a. Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger). Daher wolle er sich auch engagieren, was die Bezahlung freier Mitarbeiter angeht, die bei DuMont noch nicht nach den neuen, verbindlichen Tarifen bezahlt werden, sagte Neven DuMont in Berlin: „Da kenne ich mich nicht so aus, das ist ja Sache der Redaktionen. Aber ich werde mich erkundigen.“