Der Untenrum-Papst

NACHRUF Er war ein Tabubrecher, witzig und klug. Nun ist Oswalt Kolle 81-jährig gestorben

Er konnte mächtig laut werden, dieser Oswalt Kolle. Vor allem, wenn es gegen die katholische Kirche und deren Sexualmoral ging. Sonst aber war er ein sinnenfroher, schöner Mann, dem es große Freude machte, andere herauszufordern. Nun ist Oswalt Kolle mit 81 Jahren gestorben.

Geboren wird er 1928 in Kiel. Bereits sein Großvater setzte sich als Medizinprofessor für die Rechte von Homosexuellen ein, Kolles Vater durfte als Psychiater unter den Nazis nicht publizieren. Oswalt absolvierte nach dem Krieg zunächst eine Ausbildung in der Landwirtschaft. Er entdeckt in den fünfziger Jahren als Boulevardjournalist sein Lebensthema: die sexuelle Aufklärung.

Ab 1967 schreibt er für die Neue Revue die Serie „Das Wunder der Liebe“, im Jahr darauf veröffentlicht er das gleichnamige Buch. Fortan gilt er als „Sexpapst“. Zwischen 1968 und 1972 dreht Kolle acht Aufklärungsfilme. Die Reaktionen von Kirche, Politik und Medien sind heftig: Kolles Familie wird schikaniert, am Ende gehen sie in die liberaleren Niederlande. Einen so prominenten Gegner wie die Kirche wird er nie mehr finden.

Als Bisexueller lebt er mit seiner Frau Marlies in offener Ehe. Seine Affäre mit Romy Schneider geht durch die Klatschpresse. Als es mit der Schneider ernst wird, gibt Marlies ihn frei mit den Worten: „Ich will lieber einen glücklichen Vater als einen unglücklichen Ehemann.“

Im Jahr 2000, nach 47 Jahren Ehe, stirbt Marlies. Ihr Mann hilft ihr hinüber. Sterbehilfe, würdiges Alter – das sind seine letzten Themen. Wieder ist es das Verdruckste, das ihn aufregt, wieder kann er sehr entschieden werden. Es ist eines seiner ganz großen Verdienste, für die Nachkommen auch noch den Tod enttabuisiert zu haben.

Am 24. September ist Oswalt Kolle in Amsterdam gestorben. Er wäre am 2. Oktober 82 Jahre alt geworden. Dass seine Familie die Öffentlichkeit erst eine Woche später informiert, nach der Beisetzung, gehört wohl auch zu seinen Vorstellungen von Selbstbestimmung. ANJA MAIER