schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Es ist spannend, wenn Kunst theoretische Fragen stellt. Wenn die dann auch noch politisch sind, ohne ins Pädagogische abzurutschen, macht die Kunst umso mehr Spaß. Die Ausstellung Rendez-Vous: Sortie de mon corps (Treffpunkt: Jenseits meines Körpers) bei SAVVY Contemporary zeigt, wie Kunst als alternative Geschichtsschreibung funktioniert, etwa im Zusammenhang politischer Bewegungen. In diesem Kontext werden Gewalterlebnisse fast ausschließlich in Video-Installationen thematisiert. Doch Tod und Gewalt können den Körper nie ganz zerstören, erscheinen sogar komisch. In „High Tea“ von Jesse Weaver Shipley treffen sich zwei Menschen im Jenseits. An der Küste Ghanas sitzen sie an einem weiß gedeckten Tisch: „Wie können Sie keinen Tee mögen?“, fragt die Frau ihr Gegenüber, „Tee macht alles besser, er ist Tradition“, nur um ihn kurz darauf in hohem Bogen auszuspucken. In Penny Siopis „Obscure White Messenger“ redet Dimitrios Tsafendas, Attentäter auf H.F. Verwoerd, den „Architekten der Apartheid“ in Südafrika, über Bandwürmer und Staatenlosigkeit. Daneben tanzen in einem Video-Triptychon von Stephane Degoutin und Gwenola Wagon Soldaten im Irak zu Popmusik umher. Hicham Benohoud schaut ihnen aus seinen Selbstporträts dabei zu. Trotz Steinen und Klebebandstreifen, die sich gegen sein Gesicht quetschen, bleibt er völlig ruhig. Die visuellen und erzählerischen Tricks der verschiedenen Arbeiten machen Spaß, weil sie aufzeigen, wie man mit Kunst identitäre Zuschreibungen bloßstellen und umschreiben kann. So erscheinen selbst verletzliche Körper selbstbewusst. (Do.–So., 16–20 Uhr, Richardstr. 20)

Körperbewegungen und miteinander kommunizierende Videobildschirme spielen auch in Nicole Millers Video-Installation „Daggering“ eine Rolle, die zurzeit in den KW Institute for Contemporary Art als dritter Teil der Serie Formationen der Körper zu sehen ist. Auf dem einen Monitor nimmt Miller Ballettstunden, auf dem anderen werden vornehmlich Frauen beim Daggering gezeigt. Der karibische Streetdance-Stil beinhaltet das Nachstellen von explizitem Sex, im Ballett völlig undenkbar. Doch plötzlich erfährt auch das Ballett eine sexuelle Aufladung: eine Stimme aus dem Off erzählt von einer Ballerina, die bei den Proben mit ihrem Übungspartner erregt wird. Erotik und Sexualisierung werden von Frauen vorgeführt, die sich zwischen Selbstbehauptung, Macht über den eigenen Körper und sozialen Normen bewegen. Vor allem werden aber unsere Erwartungen an professionelle und subkulturelle Tanzstile thematisiert. (Mi.–Mo., 12–19 Uhr; Do., 12–21 Uhr, Auguststr. 69)