Bremen schreibt Schulgeschichte

Was ist von Bremens Bewerbung zur „Kulturhauptstadt“ übrig geblieben? Zum Beispiel die Theaterschule „Junge Akteure“. Ein Interview mit dem neuen Leitungs-Team über langsames Blutlecken und handfeste Techniken

Als bundesweit einzigartige Institution gibt es in Bremen eine Theaterschule für Kinder und Jugendliche: Die „Jungen Akteure“. Vor anderthalb Jahren wurde sie in enger Zusammenarbeit mit dem Moks als Projekt der Kulturhauptstadt-Bewerbung gegründet, jetzt hat sie den Sprung in die kontinuierliche Kulturförderung geschafft. Der Jahresetat von 150.000 Euro langt für die Miete, zwei künstlerisch-pädagogische Stellen, einen halben Techniker sowie die Kurs- und Projektkosten für circa 200 TeilnehmerInnen pro Halbjahr.

taz: Vor zwei Wochen haben Sie die Leitung der Moks-Theaterschule übernommen. Wie war der Start?

Martin Thamm: Intensiv. Es ist ja immer noch Aufbauarbeit, die „Jungen Akteure“ sind keine fertige Institution.

Tanja Spinger: In Bremen gab es immer viele Möglichkeiten, Theater zu spielen. Die Idee der Schule ist, den Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, einen Schritt weiter zu gehen und unter nahezu professionellen Bedingungen Theater zu machen.

Wobei eine Schule auch ein Schonraum sein sollte, oder?

Spinger: Natürlich muss man sehen, was möglich ist. Es geht ja nicht darum, irgendwelche Kinder so weit zu puschen, dass sie in Werbespots auftreten können.

Thamm: Die Werkstätten sind für jeden zugänglich.

Spinger: Das Wort „Kurs“ ist bei den Jugendlichen hier nicht so beliebt, das haben wir schon gelernt. Das Ziel ist jedenfalls die Ausbildung zum Theaterspieler – das Wort „Schauspieler“ ist mir zu hoch gegriffen.

Was machen Sie dabei anders als zuvor?

Spinger: Die Spielzeiten haben jetzt einen inhaltlichen roten Faden – aktuell „Living in a box“. Wir fragen, in welchen vorherbestimmten Bahnen unser Leben verläuft oder welche anderen Möglichkeiten es gäbe. Gestern hat sich Miles zum Beispiel vorgenommen, mal auf der Straße zu duschen. Es geht also auch um das Private und Intime, das jeder in seiner persönlichen Box erlebt.

Thamm: Auch die Architektur einer Großstadt prägt mit ihren geometrischen Formen unser Leben.

Ist Bremen denn eine?

Thamm: Von unserer Wohnungssuche weiß ich, wie unterschiedlich die Stadt ist. Und jeder, der sich bei „Boxenstop“ beteiligt, mit dem wir gerade starten, wird von seinen eigenen Wegen durch die Stadt erzählen.

In der Jugendtheaterszene ist es mittlerweile uncool, „pädagogisch“ oder explizit politisch zu sein. Wollt Ihr trotzdem weiter „Theaterschule“ heißen?

Spinger: „Pädagogisch“ heißt für mich einfach „vermitteln“, also zu wissen, mit wem ich zu tun habe. Im Übrigen geht es auch um die Vermittlung von handfesten Techniken und Methoden, insofern kann man die „Jungen Akteure“ ruhig „Schule“ nennen. Und was meinen Sie mit politisch in diesem Zusammenhang?

Nicht nur Individuelles zu erzählen, sondern auch strukturelle Zusammenhänge zu thematisieren.

Thamm: Unser Theater hat immer mit dem zu tun, was man unmittelbar im Alltag erlebt. Ich habe nicht vor, ein klassisches politisches Theaterstück zu inszenieren – aber wir suchen Leute, die etwas von sich geben, etwas zeigen wollen. Das ist immer ein Spannungsfeld zwischen Authentizität und Rollenarbeit.

Spinger: Es gibt den Hype, Jugendliche auf der Bühne einfach so sein zu lassen, wie sie sind, damit sie möglichst gut rüberkommen. Aber das schränkt auch ein. Im Übrigen kann man sich auch über die Wirklichkeit des Lebens auseinander setzen, wenn man mit Achtjährigen Märchen macht.

Worauf freuen Sie sich?

Thamm: Mitzukriegen, wie Leute erst in irgendeinem Kurs sind und langsam Blut lecken, bevor sie dann tatsächlich in einem richtigen Stück landen. Das ist wie ein Versprechen, das wir in den ersten Tagen bekommen haben. Fragen: Henning Bleyl