Volleyball und Fleischwaren

Um gute Volleyball-Spieler nach Oststeinbek zu locken, sind Ideen gefragt. Weil die „Ostbek Cowboys“ kein Geld haben, ist Spitzenspieler Cutinho bei einem Fleischhändler angestellt. Er soll den Verein wieder zurück in die Bundesliga holen

Böse Blicke sind nicht unbedingt die Spezialität von Gil Ferrer Cutinho. Der 29 Jahre alte Neuzugang des Volleyball-Zweitligisten Oststeinbeker SV festigt das Klischee vom stets fröhlichen Kubaner. Dabei werden klare Ansagen vom ehemaligen Bundesliga-Profi des SCC Berlin verlangt – in doppelter Hinsicht.

Auf dem Spielfeld soll Cutinho dafür sorgen, dass die „Ostbek Cowboys“ nach dem sang- und klanglosen Abstieg aus der Bundesliga mit neuem Mut ihrem Ziel Wiederaufstieg nachgehen. Sie starten am 16. September mit einem Heimspiel gegen den SV Warnemünde.

In seiner zweiten Mission wird der Nationalspieler als „Volleyball-Streetworker“ für die Polizei-Aktion „Sport statt Gewalt“ arbeiten. Cutinho soll gewaltbereitete Kids vor dummen Ideen bewahren. Der ausgebildete Sportlehrer wird auch in die Schulen gehen und versuchen, die Kinder für Volleyball zu begeistern. Angestellt ist er beim Hauptsponsor des Oststeinbeker SV, TMT Taurus, einem Import- und Exportunternehmen für Fleischwaren. Cutinho wird dort die Korrespondenz mit den Geschäftspartnern in Südamerika führen.

Es ist Einfallsreichtum gefragt, um gute Spieler in die schleswig-holsteinische 8000-Seelen-Gemeinde Oststeinbek zu locken. Mal werden potenziellen Neuzugängen Praktika in Hamburgs Medienwelt in Aussicht gestellt, diesmal war es ein Job im Fleischwarenunternehmen. Der Verein könne es sich nicht leisten, seinen Spielern Gehälter zu zahlen, heißt es immer wieder.

Cutinho begreift sich als Teamspieler. „Jede Mannschaft braucht einen guten Spieler, aber nicht ich bin der Star, sondern alle sind die Stars. Wir schaffen den Aufstieg, hundertprozentig.“ Ganz so einfach dürfte es für den OSV unter dem neuen Trainer Joachim Müller angesichts von vier starken Konkurrenten (Essen, Bad Dürrenberg, Bottrop, Hildesheim) und nur einem Aufstiegsplatz allerdings auch nicht werden. Dennoch: Der Sponsor will Spitzensport sehen. Also muss der OSV aufsteigen, wenn er nicht Gefahr laufen will, einen oder mehrere Geldgeber zu verlieren.

Dabei sind die Erinnerungen an die Bundesliga noch unangenehm frisch. In der zweiten Saisonhälfte waren die „Cowboys“ nur noch der Punktelieferant. Der Teamgeist litt gehörig. „Die Bundesliga hat viel mehr gezehrt, als wir alle gedacht haben. Wir haben aber den Charaktertest bestanden“, sagt OSV- Manager Rüdiger Barth.

Das erworbene Wissen, wie es in der Bundesliga abläuft, sei unbezahlbar im Hinblick auf den zweiten Versuch, der einen längeren, im Idealfall dauerhaften, Aufenthalt in der Eliteliga nach sich ziehen soll. Trotz der vielen demütigenden Niederlagen und des früh feststehenden Abstiegs habe der Ausflug nach oben einen Ertrag von unschätzbarem Wert gebracht, sagt Barth. CHRISTAN GÖRTZEN