Hotel-Poker in Delmenhorst

Immobilienbesitzer Mergel lehnt das Kaufangebot der Stadt in Höhe von 2,5 Millionen Euro ab, der Vermittler steigt aus. Neonazi-Anwalt Rieger scheint solvent zu sein – und unvermindert interessiert. Selbst dem Innenminister schwant da Böses

Von ANDREAS SPEIT

„Halleluja, ich begrüße Herrn Rieger“, soll der Hotelier Günter Mergel gesagt haben, als ihm das Kaufangebot der Stadt Delmenhorst am Mittwoch per Post ins Haus geflattert war. Es war Mergel offenbar zu niedrig. Seit Wochen bemühen sich Initiativen und Politiker in der niedersächsischen Stadt, den Kauf des „Hotel am Stadtpark“ an den Neonazianwalt Jürgen Rieger zu verhindern. Noch muss der „Abwehrkauf“ aber nicht gescheitert sein.

2,5 Millionen Euro bietet Delmenhorst für das einstige Drei-Sterne-Hotel. Der Verwaltungsausschuss hatte beschlossen, vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrates 1,6 Millionen Euro für das Hotel einschließlich Inventar in den Ring zu werfen. Dazu kommen noch über 900.000 Euro Spenden, die die „Bürgerinitiative Für Delmenhorst“ gesammelt hat.

Mehr darf die Stadt gar nicht zahlen: Der gutachterliche Verkehrswert des Hotels liegt bei nur 1,33 Millionen Euro. Dieser Wert darf maximal um 20 Prozent überschritten werden – sonst muss die Kommunalaufsicht in Hannover einschreiten. „Die von uns gebotenen 1,6 Millionen Euro beschreiben die Grenzen, die uns angesichts des tatsächlich und rechtlich Möglichen gesetzt sind“, sagte Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU). Zusammen mit dem „sensationellen bürgerschaftlichen Engagement“ sei die Stadt „mit ihrem Finanzierungsanteil an die Grenze des Möglichen“ gegangen. „Das waren wir allen Spendern einfach schuldig.“ In den vergangenen Wochen hatte die „Bürgerinitiative“ die Zusatzsumme akquiriert. Aktueller Stand gestern Abend: 905.874,76 Euro.

Bei der nun anstehenden Runde um das leerstehende Hotel haben aber offenbar noch nicht alle Beteiligen ihre Karten auf den Tisch gelegt. Nicht nur der 64-jährige Hotelbesitzer findet sich selbst „ausgebufft“, auch Initiativen-Sprecher Gerd Renker denkt schon seit Tagen: „Mergel pokert.“

Die Situation scheint verfahren. Über den Vermittler Christian Glaß ließ Mergel erklären: „Dieses Angebot kann die Stadt vergessen.“ Die Kommune sei für ihn kein ernsthafter Vertragspartner mehr. Drei Millionen will Mergel mindestens für seine marode Immobilie haben, sonst ginge sie an Rieger. Wegen der „Einstellung der Verwaltung“, sagt Glaß, habe er mit dem Angebot seine Vermittlerrolle zwischen Stadt und Hotelbesitzer aufgegeben. Die Stadt würde nicht mit „offenen Karten spielen“, sagte Glaß zur Oldenburger Nordwest-Zeitung. Hinter seinem Rücken liefen „andere Bemühungen“. Nur wenn diese aufhörten, „wäre ich bereit, wieder in die Bütt zu steigen“.

Aber auch Mergel selbst könnte mit der Stadt weiter verhandeln. Trotz seiner barschen Töne hatte der gebürtige Bayer mit Wohnsitz in Ganderkesee der taz unlängst erklärt: „Ich verkaufe an jeden“ – wenn die Geldsumme stimme. Von seinem Kaufinteresse ist Rieger in den letzten Tagen nicht abgerückt. Bei einem Gerichtsverfahren im holsteinischen Oldenburg beteuerte der Anwalt aus Hamburg gerade wieder: „Das Hotel ist für meine Zwecke bestens geeignet.“

Seine Energie scheint Rieger zur Zeit jedoch mehr in die NPD zu stecken. Vergangene Woche trat er der neonazistischen Partei bei. Für das Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden will die NPD in Stade ihn vorschlagen. Ihm selbst soll nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern ein Posten im Schweriner Landtag vorschweben.

Rieger, dessen Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fruchtbarkeitsforschung diesen Monat aus juristischen Gründen erlischt, beteuert, keine Geldschwierigkeiten zu haben, die den Kauf scheitern lassen könnten. Inzwischen meinst selbst Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU), nicht ausschließen zu können, dass „Herr Rieger ganz ernsthaftes Kaufinteresse hat“.