Entschleunigte Knappen

Beim 1:0-Sieg im Uefa-Pokalspiel gegen Nancy hat Schalke 04 mit einem längst überwunden geglaubten Problem zu kämpfen: Das recht ansehnliche Kombinationsspiel ist nicht effektiv genug

AUS GELSENKIRCHEN DANIEL THEWELEIT

Man kann den Trainern der kommenden Gegner von Schalke 04 nur empfehlen, sich zur Vorbereitung intensiv mit dem Schalker 1:0 gegen den AS Nancy auseinander zu setzen. Schalke hat ja für die laufende Saison einen attraktiven Hochgeschwindigkeitsfußball angekündigt. Mit rasendem Tempo sollte der Ball aus der eigenen Hälfte zu den schnellen Stürmern vor das gegnerische Tor befördert werden. Sieht man einmal vom Auswärtsspiel in Aachen ab, haben die Schalker das auch ganz gut hinbekommen bisher, der Vierte der französischen Ligue 1 war nun der erste Gegner, der die gepriesene Spielweise des Trainers Mirko Slomka unmöglich machte. Und damit brachten die Franzosen die Schalker Welt ganz schön ins Wanken.

„Der Gegner stand extrem gut“, sagte Slomka immer wieder, er sprach von einem „zähen Spiel“, und wären die Lothringer etwas kaltblütiger gewesen, dann hätten sie eine ihrer drei, vier Möglichkeiten in der letzten halben Stunde genutzt, und den Schalker Verantwortlichen ein paar schlaflose Nächte bereitet. Denn das Erreichen der Gruppenphase des Uefa-Cups ist für den Klub von existenzieller Bedeutung. „Wenn wir in der ersten Runde ausscheiden, dann müssen wir die Mannschaft verändern“, hatte Manager Andreas Müller vor der Partie angekündigt, die Einnahmen aus den Gruppenspielen sind fest einkalkuliert, doch nach Sören Larsens spätem Siegtreffer (86.) haben sie nun ganz gute Chancen, diesem Szenario zu entkommen.

Ein wenig sorgen dürften sich die Schalker aber trotzdem, angesichts der Erkenntnis, dass ein halbwegs kompakter Defensivverbund, das ewige und endlich überwunden geglaubte Kardinalproblem dieser Mannschaft wieder zum Vorschein bringt. Seit Jupp Heynckes 2003 das Traineramt in Gelsenkirchen übernahm, spielt die Mannschaft einen ansehnlichen Kombinationsfußball, hat meist eine beeindruckende Ballbesitzquote, schafft es aber zu selten, gefährlich in den Strafraum zu kommen. Genau das war gegen Nancy wieder einmal der Fall. „Wir haben trotzdem die Geduld bewahrt“, drehte Trainer Slomka dieses Defizit ins Positive, doch es zeigte sich, dass die neu verpflichteten schnellen Stürmer Peter Lövenkrands und Halil Altintop allein ein Spiel nicht schnell machen können.

Das muss im Mittelfeld geschehen, wo Lincoln, Fabian Ernst und Zlatan Bajramovic den schwierigsten Part in der „Mission Beschleunigung“ übernehmen sollten. Vor allen Dingen Lincoln bekommt einfach keine Konstanz in hinein in sein Spiel. Er will das Spiel gern vor sich liegen sehen wie der Puzzlespieler seine ausgebreiteten Einzelteile, Slomkas Tempofußball bräuchte aber einen Lincoln, der das Spiel an sich vorbeisausen lässt und ihm dabei nur eine kleinen genialen Stubs im Vorüberrauschen gibt. „Wir waren in unserem Passspiel nicht schnell genug, da müssen wir andere Lösungsmöglichkeiten finden“, sagte Slomka wohl wissend, dass es nicht leicht werden wird, dem launischen Brasilianer diese Fähigkeit so beizubringen, dass er auch gegen extrem defensive Gegner spielfreudig bleibt.

Fast schon erfreut sind sie daher, dass das Rückspiel auswärts stattfindet, „da werden wir unsere Schnelligkeit ausspielen müssen, Nancy braucht ja ein Tor“, frohlockte Marcelo Bordon, und auch die Partie bei Hertha BSC Berlin am Sonntag kommt den Schalkern gar nicht so ungelegen. „Die spielen Fußball, das wird einfacher für uns“, sagte Torschütze Larsen, und vielleicht ist er zudem froh darüber, dass die Mannschaft nicht jede Woche vor dem bemerkenswert kritischen Schalker Publikum zu spielen braucht.

45.000 Zuschauer waren gekommen, was im Übrigen ein historischer Negativrekord für ein Pflichtspiel seit der Eröffnung der Arena ist, und die Besucher pfiffen auffallend oft gegen die eigene Mannschaft. Selbst gewonnene Zweikämpfe im Mittelfeld, nach denen zur Ballsicherung zurück auf Frank Rost gespielt wurde, wurden mit Pfiffen kommentiert. „Vielleicht haben die ein bisschen früh gepfiffen“, kritisierte Slomka vorsichtig.

Die Zeiten haben sich grundlegend geändert auf Schalke, und deshalb ist dieses 1:0 auch noch längst kein beruhigendes Ergebnis. In der Saison des Uefa-Cup-Siegs 1997 war das völlig anders, da waren 1:0-Heimsiege fast schon die Garantie für das Erreichen der nächsten Runde.