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: Vorsicht, Speichellecker!

Bei Springer soll nun der Kunde König werden. Es droht eine Kundenoffensive

Letzte Woche ging ein Ruck namens Döpfner durch die Reihen des Berliner Verlagshauses der Springer AG. Der oberste Mann des fernsehlosen Medienkonzerns machte seinen Untertanen schwere Vorwürfe. Inakzeptabel nannte er den Umgang mit Kunden und meinte damit Zeitungskäufer ebenso wie die Werbekunden des Verlags.

Für die Zukunft verlangte er eine andere Gangart. Die Leser sollten einen schnelleren, flexibleren, unkonventionellen Umgang mit ihren Anliegen erfahren. Der Kunde, das hat Döpfner erkannt, ist König. Wie seiner Durchlaucht von nun an das Wohl garantiert werden solle, ließ der Herrscher offen. Vielleicht fehlt es noch an Ideen.

Wie das Umgarnen aussehen könnte, hat zur gleichen Zeit die Wochenzeitung Die Zeit demonstriert. Sie schrieb einen Brief. „Liebe Frau Burmeister“, schrieben sie und meinten mich, obschon ich anders heiße. „Sie haben das Seehotel am Neuklostersee als Oase der Ruhe und der Gemütlichkeit kennengelernt“, wusste Bernd Loppow, Leiter der Zeit-Reisebeilage und lud mich ein, „eine viertägige Komposition der Sinnesfreuden“ im Seehotel zu genießen, „zu einem Spitzenpreis von 490 Euro“. Ohne Heizdecke. Leider muss ich das Angebot aus Kostengründen ablehnen. Obschon das Hotel wirklich sehr toll ist.

Nichtsdestotrotz bleibt das unangenehme Gefühl der Grenzüberschreitung. Woher weiß Herr Loppow, dass ich dort war? Gut, ich habe einen Artikel darüber geschrieben. Flöhen die Zeit-Leute jetzt alle Reisemagazine durch, suchen Autoren raus, besorgen sich die Adressen und schicken Angebote raus? Nein, natürlich nicht. Das Hotel hatte für diese „Kooperation“ Namen und Adresse weitergegeben. Das kennt man vom professionellen Adressenhandel.

Der springende Punkt ist der vertrauliche Ton, in dem man mich mit dem konfrontiert, was ich getan habe. In diesem Fall als Journalistin. Die meisten anderen, die Gast des Seehotels waren, werden das als Privatleute getan haben, im Glauben, sich auch ein Stück Privatsphäre erkauft zu haben. Und da fängt es an.

Was meint Döpfner mit seiner Forderung nach unkonventioneller Kundenoffensive? Werden jetzt alle gesammelten Daten für individuelle Ansprache ausgewertet? Bekommen wir demnächst günstige Angebote für Grabpflege, nachdem wir im Hamburger Abendblatt Todesanzeigen aufgegeben haben? Wird Kai Dieckmanns Stimme uns über eine Telefon-Bandansage Lidl-Preishammer ins Ohr raunen? Klar ist eines: Der Kunde soll König werden. Da, wo der König, sind die Speichellecker nicht weit. SILKE BURMESTER