AUCH DIE US-REPUBLIKANER GLAUBEN IHREM PRÄSIDENTEN NICHT MEHR
: Bushs Taktik funktioniert nicht mehr

George Bush und seine PR-Berater hatten Ort und Zeitpunkt der Ankündigung sorgsam gewählt. Bei einer Rede im Weißen Haus vor Angehörigen der Opfer zum Jahrestag des 11. September kündigte der US-Präsident an, 14 Terrorverdächtige aus geheimen CIA-Gefängnissen nach Guantánamo überführen zu lassen. Bei der Gelegenheit forderte Bush zudem eine neue Gesetzgebung, die sowohl rückwirkend die Verhörpraktiken in den CIA-Gefängnissen legalisiert als auch der Regierung die Handhabe für eine Aburteilung der Gefangenen ohne die in einem Rechtsstaat übliche Verteidigung ermöglicht.

Die Strategie war klar. Bush wollte den Jahrestag des 11. September dazu nutzen, sich im Hinblick auf die Kongresswahlen im November erneut als einzige Hoffnung für ein von allen Seiten bedrohtes Amerika zu positionieren. Schon lange versucht der Präsident den Amerikanern weiszumachen, dass die Demokraten sie verraten und ans Messer der „Islamo-Faschisten“ liefern würden. Angesichts sinkender Zustimmungsraten für seine Regierung sowie einer klaren Mehrheit in der US-amerikanischen Bevölkerung gegen den Krieg im Irak scheint das Angstschüren Bushs letzter Trumpf zu sein. Immerhin hat er damit schon die letzte Wahl gewonnen.

Doch die Taktik funktioniert nicht mehr. Mit der Legalisierung von Folter sowie der Einrichtung von Standgerichten gegen Terrorverdächtige kommt Bush nicht mal mehr in der eigenen Partei durch. Um sowohl in der Verfassung garantierte Grundrechte als auch die Genfer Konvention außer Kraft zu setzen, reicht die Terrorparanoia selbst bei Repulikanern nicht mehr aus: Die Senatoren McCain, Warner und Graham setzen dem Entwurf des Präsidenten ihren eigenen, gemäßigten Gesetzentwurf zur Behandlung von Terrorverdächtigen entgegen, der weit bessere Aussichten hat, von Vertretern beider Parteien verabschiedet zu werden. Bush ist zunehmend isoliert. Amerika fühlt sich offensichtlich eher von seinem Präsidenten bedroht als von den „Faschisten“, vor denen dieser das Land zu schützen behauptet. SEBASTIAN MOLL