Auf Kuschelkurs mit Klimaforschern

Der Atomkonzern EnBW lädt renommierte Wissenschaftler zur firmeneigenen ersten deutsche Klimakonferenz ein. Die soll kommende Woche in einer „Berliner Erklärung“ münden. Der BUND befürchtet, dahinter stecke eine reine PR-Veranstaltung

AUS BERLIN NICK REIMER

Immer wieder muss ZDF-Wetterfrosch Gunther Tiersch Unwetterwarnungen ankündigen. „Wer ein Dach deckt, sollte die Zunahme von Tornados in Deutschland berücksichtigen“, erklärte der Meteorologe gestern in Berlin. Kommunen müssten sich überlegen, ob sie bestimmte Bäume nicht besser fällen. Für ihn ist klar: „Das Klima ist im Wandel – jeder ist betroffen.

Eine ganze Reihe von ähnlichen Meldungen alarmierten in dieser Woche. Etwa diese: Die Einflüsse des Menschen auf das Klima waren im letzten Jahrhundert weitaus größer als alle natürlichen Entwicklungen. Zu diesem Ergebnis kommt das Max-Planck-Institut für Astrophysik in München. Oder diese: Schneller als je zuvor schmolz in den vergangenen Jahren das Treibeis – auch im Winter. Zu diesem Ergebnis kamen zwei Studien der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Und Teilnehmer des Kongresses „aqua alta 2006“ konstatierten in Hamburg: „Hierzulande kommt es infolge des Klimawandels zu mehr Fluten, längeren Trockenperioden und anderen Wetterextremen.“

Die Meldungen sagen nicht, dass alles schlimmer geworden ist, urteilte gestern der Hamburger Klimatologe Mojib Latif. Sie „bestätigen nur, was wir seit Jahren voraussagen“. Der Professor vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaft stellte gestern gemeinsam mit Gunther Tiersch das Programm der ersten deutschen Klimakonferenz vor, die EnBW ab Mittwoch in Berlin abhalten wird. Gegen den Klimawandel anzukämpfen, „geht nur mit der Wirtschaft, nicht gegen sie“, sagte Latif. Deshalb werde er EnBW zur Verfügung stehen, „auch wenn ich in einigen Fragen mit EnBW nicht übereinstimme“.

Die Atomkraft etwa sei keine Option das Klima zu retten, sagte Latif, „schon allein deshalb, weil die Frage des Atommülls nicht geklärt ist. Wer kommende Generationen von dem einen Problem befreien will – dem Klimawandel – sollte das nicht mit einem anderen tun.“

Warum EnbW solche Kritiker einbindet, erklärt Jürgen Hogrefe, Politikchef der EnBW: „Wir wollen mit der Konferenz ein übergreifendes Forum schaffen, um sinnvolle Handlungsoptionen zu erarbeiten.“

Dazu hat sich die EnBW renomierten Sachverstand eingeladen. Neben dem US-Ökonom Jeremy Rifkin und Vicky Pope, Leiterin des Klimavorhersageprogramms des britischen Wetterdienstes, kommen Latif, Tony Blairs Chefberater Sir David King, die deutschen Klimatologen Stefan Rahmstorf und Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung oder Volker Hauff, Vorsitzender des Rats für nachhaltige Entwicklung der Deutschen Regierung. „Am Ende der Konferenz wollen wir eine Berliner Erklärung mit klaren Strategien und Instrumenten verabschieden“, sagte Hogrefe. Diese soll dann anderen Konzernen als Plattform offen stehen.

Thorben Becker, Klimaexperte des BUND, ist weniger euphorisch: „Wir fürchten, das ist nichts weiter als eine perfekte PR-Veranstaltung.“ Umweltverbände sind zu der Konferenz übrigens nicht geladen.

Klimaforscher Rahmstorf wies gestern Befürchtungen zurück, von EnBW vereinnahmt zu werden. „Ich werde nichts mittragen, was ich als Wissenschaftler nicht vertreten kann“, sagte er. Atomkraft gehöre nicht dazu. Die Sprecherin von Volker Hauff erklärte, der Chef des Nachhaltigkeitsrats ziehe die kontroversen Foren den harmonischen vor: „EnBW weiß, dass Hauff Atomstrom als Option ausschließt.“ Hogrefe scheint das nicht zu stören: „Wenn wir einen Atomkongress hätten abhalten wollen, hätten wir anderen Sachverstand eingeladen.“

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