Auch 8,50 Euro sind kein Allheilmittel

AUFSTOCKER Mindestlohn wird von Miet- und Heizkosten aufgefressen. Viele Vollzeitkräfte wären zusätzlich auf Hartz IV angewiesen

BERLIN taz | Trotz eines Mindestlohns von 8,50 Euro brutto in der Stunde wäre eine große Anzahl alleinstehender Vollzeitbeschäftigter weiterhin auf ergänzende Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“) angewiesen. Das geht aus einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit hervor, die die Linksfraktion angefordert hat. Demnach hätten weiterhin rund 740.000 Personen oder rund 40 Prozent aller Singlehaushalte Anspruch auf Hartz IV. Der Grund dafür sind hohe Miet- und Heizkosten.

Die Bundesagentur und die Linksfraktion haben berechnet, was einem Vollzeitbeschäftigten mit 8,50 Euro Stundenlohn und einer 38-Stunden-Woche brutto und netto übrig bliebe. Das Ergebnis: 345 Euro stünden monatlich für Miet- und Heizkosten zur Verfügung, wollte die Person nicht auf den Gang zum Sozialamt angewiesen sein. Faktisch liegen die Miet- und Heizkosten aber in vielen Städten deutlich höher – in Westdeutschland hätte nach der Berechnung sogar fast jeder Zweite weiterhin Anspruch auf Hartz IV.

Für die Linksfraktion sind die Zahlen ein weiterer Beleg dafür, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro nicht genügt. „Wir fordern 10 Euro. Notwendig ist zugleich mindestens eine jährliche Anpassung an die Lohnentwicklung“, sagte Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linkspartei.

Dass der Mindestlohn kein Allheilmittel ist, ist weitgehend unbestritten. 8,50 Euro Bruttostundenlohn reichen zudem bei Weitem nicht aus, um sich für das Alter eine Rente zu erarbeiten, die über Grundsicherungsniveau liegt. Für die Gewerkschaften sind die 8,50 Euro deswegen nur eine untere Haltelinie. Auch sie drängen auf einen Mechanismus zu einer automatischen jährlichen Anpassung. Laut Koalitionsvertrag ist bisher nur vereinbart, dass eine Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern ab Mitte 2017 den Mindestlohn überprüfen und ihn „gegebenenfalls“ anpassen soll. Vor 2018 wird es jedoch keine Erhöhung des Mindestlohns geben. EVA VÖLPEL