Wowereit blafft sich zum Wahlsieg

Kurz vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl mehren sich kritische Stimmen über den Regierenden Bürgermeister. Siegesgewiss kanzelt Klaus Wowereit (SPD) Kontrahenten und Journalisten ab. Doch sein Wahlsieg scheint ungefährdet

AUS BERLIN MATTHIAS LOHRE

Einen Politiker, dessen Beliebtheitswerte seit Jahren hoch sind, müssen solche Attribute stutzig machen: Als „kaltherzig“, „brutal“ und „gönnerhaft“ bezeichnen jüngste Medienberichte den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Hinter der Kulisse des populären Berlin-Vertreters, so der Tenor, stecke ein rüpelhafter Machtmensch. Einer, der gestandene Senatoren und Koalitionspartner hinter verschlossenen Türen demütige. Kurz vor der Abgeordnetenhauswahl am Sonntag droht das positive „Wowi“-Image zu kippen.

Im Fernsehduell mit seinem CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger beschimpfte ein siegesgewisser Wowereit die Moderatorin. Dem aus Hannover zugezogenen Pflüger hielt er immer wieder vor, sich nicht in der Hauptstadt auszukennen. Abseits der Kameras äffte Wowereit Journalisten nach. Doch in Umfrageergebnissen schlägt sich die Beobachtern sattsam bekannte Überheblichkeit nicht nieder.

Nach fünf Jahren im Amt liegt Wowereits SPD laut Infratest dimap bei 33 Prozent, die Koalitionäre von der Linkspartei kommen auf 15 Prozent. Das würde für eine Abgeordnetenhausmehrheit reichen. Eine Wechselstimmung gibt es trotz einer Arbeitslosenquote von 17,4 Prozent nicht. Seit Amtsantritt im Januar 2002 hat sich die anfangs heftig angefeindete rot-rote Koalition zu einem geräuschlos arbeitenden Sanierungsbetrieb entwickelt. SPD und PDS haben den Abstieg des mit mehr als 60 Milliarden Euro verschuldeten Stadtstaates gebremst: Ein so genannter „Solidarpakt“ dämpft die explodierenden Lohnkosten im öffentlichen Dienst. Milliardenschwere Wohnungsbauförderungen hat Rot-Rot gekappt, den Bau des umstrittenen Großflughafens durchgedrückt.

Die Stimmung ist erstaunlich gut. Mit Wowereits Wort, Berlin sei „arm, aber sexy“ haben sich viele Hauptstädter nur zu gern identifiziert. Die Hoffnungen auf wirtschaftliche Besserung haben viele SPD-PDS-Wähler bislang bei der Stange gehalten. Wäre da nicht Wowereits Kalkül, sich eine mögliche rot-grüne Koalition offen zu halten.

Die einstige Alternative Liste mit ihrer Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig dient sich der SPD als dynamischerer Partner an. Dabei ähneln die Programme von Grünen und Linkspartei einander sehr. Beide Parteien setzen auf mehr Wirtschaftswachstum durch Umwelttechnologie-, Gesundheits- und Medien-Unternehmen. Die Grünen kommen derzeit auf 14 Prozent. Das Rennen zwischen Rot-Rot und Rot-Grün wird daher voraussichtlich knapp ausgehen. Wer von beiden vorn liegt, ist kaum vorherzusehen. Wegen der fehlenden Großkonflikte sieht es nach einer geringen Wahlbeteiligung aus.

Zwar liegt die FDP seit Monaten konstant bei 8 bis 9 Prozent. Doch wird das für ein Bündnis mit ihrem einzigen möglichen Koalitionär nicht reichen: der CDU. Die einstige Dauerregierungspartei erntet in der Hauptstadt nur noch mitleidiges Lächeln. In fünf Oppositionsjahren hat sie es nicht vermocht, sich personell und inhaltlich neu aufzustellen. Erst massiver Druck von der Bundespartei brachte die Union dazu, Pflüger zum Spitzenkandidaten zu nominieren. Trotz seines unermüdlichen Einsatzes hat der 51-Jährige einen aussichtslosen Kampf gefochten: Nie hat er ein Thema gefunden, mit dem er die SPD hätte bedrängen können. Stattdessen setzte er zuletzt auf einen Angstwahlkampf. Auf Großplakaten ließ er eine ältere Dame eine schlecht beleuchtete Straße kreuzen, verfolgt von einem vermummten Jugendlichen. Darunter der Satz: „Rot-Rot schaut weg.“ Doch mit Angstmache ist Wowereit bei dieser Wahl nicht beizukommen. Schaden kann Klaus Wowereit derzeit nur Klaus Wowereit.