In Bagdad sind die Kurden in der Rolle des Königsmachers

IRAK Ministerpräsident al-Maliki schließt Bündnis mit dem Radikalen al-Sadr. Noch fehlen die Kurden

BAGDAD taz | Der Irak ist auf dem besten Weg, im Gezerre um eine neue Regierung Hessen den Rang als Rekordhalter abzulaufen. In Hessen dauerte der Schwebezustand seinerzeit ein ganzes Jahr. Der Irak ist seit nunmehr 211 Tagen führungslos, und ein Ende der Krise ist nicht abzusehen.

Doch ist Bewegung ins Spiel gekommen. Am Freitag hat sich der radikale schiitische Prediger Muktada al-Sadr überraschend hinter den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki gestellt. Das gibt al-Maliki einen zwar wichtigen Schub in seinem Streben nach einer zweiten Amtszeit, von einer Regierungsmehrheit ist er aber so weit entfernt wie zuvor. Al-Maliki hatte die Parlamentswahlen im März mit 89 Mandaten knapp gegenüber seinem Herausforderer Ajad Allawi verloren, der zwei Mandate mehr holte. Als Amtsinhaber versucht al-Maliki seitdem, mögliche Koalitionspartner ins Boot zu holen. Mit den Sadristen und einigen Kleinparteien kommt die Al-Maliki-Fraktion jetzt auf etwa 140 Sitze, 23 weniger, als es für die einfache Mehrheit braucht. Da das Parlament aber zuerst mit absoluter Mehrheit einen neuen Präsidenten wählen muss, fehlen ihm im Grunde genommen sogar 77 Stimmen.

Seit Monaten reden deshalb alle Seiten von einer Regierung der nationalen Einheit aus Schiiten, Sunniten und Kurden. Die Kehrtwende von al-Sadr hat freilich erst mal die Gräben im schiitischen Lager vertieft. Der schiitische Vizepräsident Adel Abdul Mehdi vom Islamic Supreme Council of Iraq, mit dem die Sadristen ein Wahlbündnis eingegangen waren, schloss eine Koalition mit al-Maliki aus. Er halte an seiner Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt fest. Al-Maliki warf Abdul Mehdi die Monopolosierung der Macht und schlechte Regierungsführung vor. Ins gleiche Horn hatten monatelang die Sadristen gestoßen, gegen deren Miliz al-Maliki vor zwei Jahren hart vorgegangen war. Hunderte Milizionäre wanderten ins Gefängnis. Welche Zugeständnisse al-Maliki den Sadristen gemacht hat, ist unklar. Massiver iranischer Druck habe al-Sadrs Kehrtwende bewirkt, heißt es in Bagdad.

Der Schwenk von al-Sadr lässt al-Maliki erneut als schiitischen Hardliner erscheinen und droht, die Gräben mit den Sunniten erneut zu vertiefen. Allawi, der seinen Erfolg den Sunniten verdankt, will einer solchen Regierung nicht beitreten. Das bringt die Kurden mit ihren 57 Sitzen in die Rolle der Königsmacher. Theoretisch könnten sie al-Maliki gemeinsam mit Allawi und Adel Abdul Medhi aus dem Rennen werfen. Kurdische Abgeordnete haben am Wochenende über eine Unterstützung al-Malikis beraten. Erwartet wird, dass sie dafür entscheidende Zugeständnisse fordern. Ihr Preis ist unter anderem die Ölstadt Kirkuk. Das lehnen aber sowohl die Sadristen wie die sunnitischen Nationalisten um Allawi ab. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. INGA ROGG