VOR DEM FISCHLADEN
: Eine Bereicherung

Vielleicht macht er Werbung

Vor dem Fischhändler in der Dieffenbachstraße versperrt Harald Martenstein Kunden den Weg. Vor ihm ein Mann mit geschulterter Kamera, ein Mann mit einem Mikro und einer ohne irgendwas, bestimmt der Regisseur. Martenstein spricht. So mit Fischladen im Hintergrund spricht er wahrscheinlich über den Fischladen, denn sonst würde er ja nicht vor dem Fischladen stehen. Vielleicht macht er Werbung.

Merkwürdig, denke ich, womit manche Leute ihr Geld verdienen. Stehen vor einem Fischladen und sagen, dass der Fischhändler eine Bereicherung des Kiezes ist. Fup kräht, als wir an der Männergruppe vorbeigehen. Ob sie das später rausschneiden? Dabei ist das Gekrähe auf jeden Fall eine Bereicherung. Auf der anderen Seite ist Harald Martenstein auch nicht peinlicher als mein alter Schulfreund Thomas Gottschalk, der sein Geld verdient, indem er sich in große Senftöpfe hineintunken und als strampelndes Senfmännchen wieder herausziehen lässt.

Ein paar Ecken weiter stehe ich unschlüssig herum und warte auf Inspiration. Die kommt dann auch sofort angeschlurt. „Ich helfe jedem, der Respekt hat. Du hast Respekt. Wir machen alles zusammen. Kein Problem, Alter.“ Der türkische Migrant klopft einem anderen türkischen Migranten auf die Schulter, dann trennen sich ihre Wege. Ich würde zu gerne wissen, was dieses „alles zusammen machen“ ist. Aber es gefällt mir, es hat so was schön Mafiöses an sich. Der Respekt-Mann ist, glaube ich, keine Bereicherung.

Womit immer er auch sein Geld verdient, der Respekt-Mann würde sich wohl kaum vor einen Fischladen stellen und über die Bereicherung des Kiezes … Oder vielleicht doch? Und warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich kann er das sogar viel besser, denke ich so vor mich hin. Dann kräht Fup und holt mich wieder in die reale Welt zurück.

KLAUS BITTERMANN