rüttgers
: Der Preis der Unverbindlichkeit

Jürgen Rüttgers ist auf dem Höhepunkt seiner Macht. Beim Landesparteitag in Münster war der NRW-Ministerpräsident der große Star seiner CDU. Rüttgers, der „Lebenslügen“-Kritiker. Rüttgers, der mehr Lebensmittelkontrolleure verspricht. Rüttgers, der den Papst und die Meinungsfreiheit verteidigt. Rüttgers als Voll-Programm. Rüttgers am Samstag. Rüttgers statt Fußball-Bundesliga. Obwohl sich die Parteiversammlung bis in den Nachmittag zog, flüchteten die Delegierten nicht vor die Fernsehgeräte, sondern kuckten Rüttgers.

Doch so beliebt der Landeschef auch sein mag, so problematisch ist sein Regierungsstil für den Politalltag. Die Zugeständnisse an die Parteibasis bei der Gemeindeordnung könnten sich für Rüttgers bald rächen. Die Mitglieder erwarten nun nicht weniger, als dass der Koalitionspartner FDP beim Thema Bürgermeisteramtszeit gedemütigt wird.

KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER

Für den zur bundesweiten Figur aufgestiegenen Regierungschef mag die neue Gemeindeordnung ein Randthema sein. Wie ein Unbeteiligter moderierte Rüttgers in Münster den Streit zwischen Landes- und Lokalpolitikern ab. Den Preis für die Unverbindlichkeit des Ministerpräsidenten muss nun aber irgendein Akteur bezahlen. Entweder verliert die FDP, indem sie von der Forderung nach abgekoppelten Bürgermeisterwahlen abrückt – oder doch wieder die CDU-Basis, wenn die Christdemokraten im Landtag trotz Parteitagsbeschluss keine Korrektur der Gemeindereform durchsetzen.

Will der Ministerpräsident seinen treuen CDU-Fanclub nicht enttäuschen, muss er sich gegenüber dem kleinen Koalitionspartner durchsetzen. Eine gründliche Überarbeitung der gesamten Gemeindeordnungs-Novelle wäre die beste Lösung. Nicht nur die aus versorgungsrechtlichen Gründen vorangetriebene Amtszeitverlängerung muss weg – auch der Verzicht auf Stichwahlen und weitere Ungereimtheiten der Reform gehören nachgebessert. Rüttgers sitzt fest genug im Sattel, um dafür auch einen Koalitionsstreit zu riskieren.