Der Eiffelturm von Wolfsburg

Bei den heute beginnenden Tarifgesprächen zwischen IG Metall und VW geht es für die Belegschaft ans Eingemachte: Das Management will 6,2 Stunden Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Die Gewerkschaft fordert Gegenleistungen

Hartmut Meine zieht die Stirn in Sorgenfalten: „Zum derzeitigen Zeitpunkt“, sagt der IG-Metallchef von Niedersachsen, „besteht kein Anlass zur Euphorie.“ Bei den für heute angesetzten Tarifgesprächen zwischen der IG Metall und dem Management von Volkswagen in Hannover geht es für knapp 100.000 Beschäftigte in den sechs westdeutschen Werken ans Eingemachte.

VW will den Haustarif schleifen: Möglichst ohne Lohnausgleich sollen die Mitarbeiter künftig 35 Stunden arbeiten –- und dafür das gleiche Geld bekommen wie bislang für die Norm-Wochenarbeitszeit von 28,8 Stunden. Wenn die VW-Standorte im Westen nicht wettbewerbsfähig arbeiten, könnten Teile des ab 2008 gefertigten modifizierten neuen Golf-Modells aus Wolfsburg verlagert werden, hatte VW-Chef Wolfgang Bernhard gedroht. Volkswagen-Mitarbeiter verdienen derzeit etwa ein Fünftel mehr als die Kollegen in der Metallbranche – und fast ein Drittel mehr als die Malocher bei Renault in Frankreich.

Gewerkschaftsmann Meine sieht zwar auch, dass die Werke in Wolfsburg, Braunschweig, Hannover, Salzgitter, Emden und Kassel „Verluste in dreistelliger Millionenhöhe“ einfahren, macht aber dafür nicht die relativ hohen Arbeitskosten verantwortlich: „Der Lohnkostenanteil liegt etwas über 15 Prozent.“ Eher würde er bei den veralteten Arbeitsabläufe in den Werken ansetzen.

Verhandeln über die Löhne will er nur, wenn VW „verbindliche Zusagen“ über neue Produkte macht: Wenn VW wirklich den Golf abziehe, könnte es „harte Konflikte“ geben“, sagt der Metaller: „Der Golf gehört zu Wolfsburg, wie der Eiffelturm zu Paris.“ Das sieht auch der Gesamtbetriebsratschef so: „Die Tarifgespräche können nicht dazu dienen, Projekte zum Fliegen zu bringen“, sagte Bernd Osterloh gestern zur dpa. Osterloh erwartet eine Einigung bis spätestens Anfang Oktober.

6,2 Stunden mehr Arbeit ohne Lohnausgleich werde es nicht zum „Nulltarif“ geben, sagte Osterloh. Im Stammwerk Wolfsburg müsse neben Golf und Touran ein drittes Modell vom Band laufen. Wie Meine schwebt Osterloh zudem eine tarifvertraglich fixierte Gewinnbeteiligung der Belegschaft vor, die deutlich über dem alten Jahresbonus liegt.

Auch eine vorgezogene Lohnrunde bei VW sei „eine Option“. Als Verhandlungsmasse nannte er dabei drei Prozent mehr Lohn. Der Gehaltstarifvertrag läuft Ende Januar 2007 aus. ksc