Gedanken in Nilpferdsofas

Große Kleinkünstler: Erwin Bolz ist gescheitert, hat aber trotzdem alles gegeben

„Ich kenne jetzt den Unterschied zwischen zwischen und zwischen“, erklärt Bolz

Schon die ersten Kritiken waren vernichtend: „Insgesamt zu wenig ‚Was ist der Unterschied zwischen‘-Witze. Falls Erwin Bolz jemals sein Vorbild Helme Schmöcker erreichen will, sollte er unbedingt Wurstverkäufer werden. Wenn der Autor keine Drogen nehmen würde, müsste man es ihm dringend empfehlen. Und seinen Zuschauern auch. Ansonsten ein gelungener Abend für Indianer mit zu kleinen Pferden (außer montags)“, schrieb der sonst eher wohlwollende Hellmicher Herdberichterstatter über Bolz’ Auftritt bei den „Männer-mit-Bärten-Wochen, die Nichtraucher sind, aber Fleisch essen und positiv denken, also die Männer, nicht die Wochen“.

„Wenn ich damals gewusst hätte, dass es nicht besser wird, hätte ich nicht weitergemacht“, gestand der große Kleinkünstler Erwin Bolz später. Dabei hatte Bolz, der aus dem lauenburgischen Ort Gelegenheit stammt, sein Programm noch kurzfristig umgestellt. Statt der Unterwasserpantomime mit zum Teil noch lebenden Katzen, hatte er unter dem Titel „Warum man sich immer für die zweite Möglichkeit entscheiden soll“ eine Ton-Dia-Show zum Thema „Wie man ein halbwegs angenehmes Leben führen kann, wenn man mit drei Füßen geboren wird“ angeboten. Trotzdem fand er kaum Zuspruch.

„Ich bitte Sie, sich zu erheben und die Schuhe ihres Nachbarn zu putzen“, hatte Bolz gut gelaunt den Abend eröffnet. Danach trat sofort eisiges Schweigen unter den wenigen Zuschauern ein, das trotz der wohlmeinenden Aufforderung „Sie müssen ihren Körper besser verteilen“ bis zum Schluss anhielt. „Wir sind alle mal Zahn, mal Zunge. Das kann man sich nicht aussuchen“, zog Bolz nach seinem ersten Engagement ernüchtert Bilanz.

Nach diesem Misserfolg zeigte sich Bolz verwirrt und haltlos. Deutlich wird dies an seiner nun folgenden „Phase der Konstruktionen ohne Konzept“. „Endlich ein Rot erfinden, das blau ist“, bekannte der 39-Jährige, während er auf der Bühne mit Sonnenbrille in einem nachtdunklen Fahrstuhl saß, „das ist mein Ziel.“ Außerdem versuchte er sich an „Telepathie bei Tontöpfen“, „Technik als Versandreligion ohne zu hohe Nebenkosten“ und „Totaloperationen ohne Patienten, aber mit Telefon“. Bühnenprogramme, mit denen der sympathische Entertainer zwangsläufig scheitern musste. In diese Zeit fiel auch sein Essay „Die Breite der Tiefe mit all ihren Konsequenzen für Leute, die oft Nasenbluten haben“, sowie sein Ratgeber „Überleben in überflüssigen Strukturen und auf Wendeltreppen“. Monate später stellte er schließlich fest: „Der größte Mensch, den ein Mensch essen kann, ist er selbst.“

Erst mit der Erfindung „quadratischer Topfformen für Trennkostgerichte aus ziemlich großen Schubladen“ kehrte wieder Stabilität in sein Leben ein. Da hatte er der Bühne aber schon den Rücken gekehrt und sich als Erfinder halbwegs etabliert. So erfand er mit dem 12. Dezember 1792 sein erstes Datum, damit sein Leben eine bessere Struktur und Übersicht hat. Zwei Tage später löste er das eigens von ihm geplante Leben aus unerfindlichen Gründen jedoch wieder auf und änderte es in „Dritter Elefant von rechts“. Einziger Kommentar von Bolz: „Es muss auch so gehen.“

Bei seinem Programm „Mann ohne Frisur“, das auf intensiven autobiografischen Erlebnissen basiert, kehrte er auf die Bretter, die ihm die Welt bedeuteten, zurück. Zu dieser Zeit lernte er auf dem Weisweiler „Kreativmarktplatz der vorstehenden Zähne“ auch Ampel, seine spätere Frau und Ausgehtasche, kennen. „In den 20 Jahren, die wir uns kennen, waren wir nur 18 voneinander getrennt“, zeigt sich Bolz heute stolz. „Schade, dass die Trennung auf die letzten 18 Jahre fällt.“ Aber es sei kein Groll geblieben: „Sie war immer offen für mich. Auch wenn zwischen ihr und mir dauernd ein Kühlschrank, ein Koffer und ihre Mutter aus Bremen standen.“

Heute findet er Unterstützung bei seinem 52-jährigen Ziehsohn Vincent-Uwe, der Bolz ein Studium als Motorsäge an der Jens-Walther-Universität in Schmirgeln ermöglicht hat. „Weg mit den Krawatten!“, fordern die beiden im Chor, wenn sie in Hellmich, wo der große alte Mann der Brettbühne heute lebt, unerwartet die drei Großen der Erdbeervermehrung besuchen. „Was wir tatsächlich brauchen, sind wahre Stühle und Sofas in Form von Nilpferden.“ In drei Jahren wollen sie hier das Modalitätenmonopol erreicht haben.

„Ich kenne jetzt den Unterschied zwischen zwischen und zwischen“, resümierte Bolz kürzlich. Er hoffe nun auf seinen ersten Erfolg. Geplant seien dazu die Veröffentlichung einer Demenzgrammatik sowie die Abhandlung „Die Frage ‚Wo?‘ und alle ihre Antwortmöglichkeiten“. Bolz zeigte sich abschließend zuversichtlich: „Ich habe noch viele Ideen: Dortmund als Keks, dehnbare Begriffe aus Leichtmehl oder Schuheinlagen mit reflektierenden Steinpilzen.“ Auf sich zeigend fügte er abschließend hinzu: „Ich weiß es: Irgendwo hier drin muss der Erfolg sein.“

JAN ULLRICH