Bank-Einigung in letzter Minute

GELD Die zweite Säule der Bankenunion steht – doch das Europaparlament musste viele Abstriche machen. Die Bundesregierung setzte sich in wichtigen Punkten durch

Die wichtige Frage lautet: Wer muss künftig für Pleiten der Geldhäuser zahlen?

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

„Dies ist wahrscheinlich die wichtigste Reform seit Gründung des Euro.“ Mit diesen Worten feierte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier gestern den Kompromiss kurz vor Toresschluss zur Bankenunion. Zuvor hatten sich Unterhändler der 28 EU-Staaten und des Europaparlaments auf ein System zum Abwicklung von maroden Geldhäusern geeinigt – gerade rechtzeitig vor der Europawahl.

In den 16-stündigen nächtlichen Verhandlungen habe man sogar Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus dem Schlaf geholt, freute sich der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. „Seine Politik des ‚Vogel, friss oder stirb‘ hat nicht funktioniert“, so der Finanzexperte, der als einziger Mann zusammen mit drei Frauen für das Parlament verhandelte.

Allerdings hat Schäuble kaum Konzessionen gemacht, im Gegensatz zum Europaparlament. Auf eine Hauptforderung, die Abwicklung nach EU-Gemeinschaftsrecht zu organisieren und nicht in einem neuen zwischenstaatlichen Vertrag, mussten die Abgeordneten komplett verzichten. Schäuble setzte sich mit dem Argument durch, nach deutschem Recht könne er nicht anders handeln. Auch der Wunsch der Abgeordneten, den geplanten Stützungsfonds von 55 Milliarden Euro schneller aufzubauen, wurde kaum erfüllt. Statt zehn soll es nun „nur“ noch acht Jahre dauern.

Immerhin steht mit dieser Einigung, die noch formell abgesegnet werden muss, die zweite Säule der Bankenunion. Die erste, eine gemeinsame Aufsicht bei der Europäischen Zentralbank EZB, soll im Herbst die Arbeit aufnehmen. Mit der gemeinsamen Abwicklung, die Anfang 2015 starten soll, ist die Hoffnung verbunden, dass der Teufelskreis aus Bankenkrise und Staatsschuldenkrise durchbrochen wird. Künftig sollen nicht mehr die Staaten, sondern die Banken und ihre Eigner für Rettung oder Abwicklung zahlen.

„Statt des Steuerzahlers wird nun ein Fonds zahlen, für den die Banken aufkommen“, resümierte die niederländische konservative Abgeordnete Corien Wortmann-Kool. In dem Fonds gibt es „nationale Abteilungen“ der beteiligten Staaten; nach drei Jahren sollen bereits 70 Prozent der vorhandenen Mittel vergemeinschaftet sein.

Allerdings dürften die Mittel des Fonds kaum ausreichen, wenn eine Großbank pleitegeht oder gar eine neue Bankenkrise kommt, wie sie Irland oder Spanien erlebt haben. In der Finanzkrise hatten die EU-Länder insgesamt 1,6 Billionen Euro in marode Geldhäuser gesteckt. Auch jetzt sei die EU nicht vor einer Wiederholung geschützt, so der Finanzexperte Paul de Grauwe von der London School of Economics. „Das Schlüsselelement einer Bankenunion ist eine Institution mit finanzieller Schlagkraft. Die gibt es nicht, also haben wir auch keine Bankenunion.“ Den sogenannten Backstop hatte vor allem Deutschland verhindert. Schäuble setzte auch durch, das der Eurorettungsfonds ESM nur in extremen Notfällen zum Einsatz kommt.

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