22 Prozent weniger

EQUAL PAY DAY Seit Jahren verdienen Frauen rund ein Fünftel weniger als Männer. Die Ursachen: Minijobs, Teilzeitarbeit und niedrigere Löhne in sogenannten Frauenberufen

Das Teilzeitphänomen ist eine Sackgasse zu weniger Lohn und einer geringeren Rente

AUS BERLIN SIMONE SCHMOLLACK

Es wird der letzte Tagesordnungspunkt heute im Bundestag sein: „Frauen gerecht entlohnen und sicher beschäftigen“, heißt der Antrag der Grünen für ein sogenanntes Entgeltgleichheitsgesetz. Das Wort ist sperrig und niemand kann die Zahl mehr hören, die das Papier rechtfertigt: 22 Prozent verdienen Frauen hierzulande im Durchschnitt weniger als Männer.

„Das können wir nicht länger hinnehmen“, sagt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte der Grünen im Bundestag. Dass die Oppositionspartei ausgerechnet heute ihren Antrag einbringt, hat einen Grund: Es ist Equal Pay Day (EPD). Er symbolisiert den Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um rechnerisch auf das durchschnittliche Jahresgehalt ihrer Kollegen zu kommen.

Sogenannte Frauenberufe wie im Bildungs-, Gesundheits- und Dienstleistungssektor werden von vornherein schlechter bezahlt als etwa Jobs in der Industrie. Darüber hinaus steigen eher Frauen wegen der Familie aus dem Job aus und kehren danach häufig als Teilzeitkräfte oder Minijobberinnen zurück. Zwei Drittel der bundesweit rund 7,4 Millionen Minijobber sind laut Bundesfamilienministerium Frauen. Nur 14 Prozent der Frauen, die früher einen Minijob als Hauptbeschäftigung ausübten, haben heute eine Vollzeitstelle, ein Viertel eine Teilzeitstelle mit mindestens 20 Stunden pro Woche. Das Teilzeitphänomen bezeichnet Henrike von Platen vom Verband Business and Professional Women, der den EPD 2008 ins Leben gerufen hat, als „Sackgasse“: weniger Lohn und eine geringere Rente.

Eine, auf die das zutrifft, ist Friederike Mallmann. Die Mutter eines sechsjährigen Sohnes war nach der Geburt des Kindes vier Jahre zu Hause. Damals war sie verheiratet. Als die Ehe in die Brüche ging, suchte die Berlinerin nach einer Stelle als Physiotherapeutin. „Ich hätte vor allem nachmittags und abends arbeiten sollen“, sagt sie: „Das kann ich aber wegen meines Sohns nicht.“ Jetzt hat sie einen 450-Euro-Job als Bürokraft. Dafür ist sie überqualifiziert – und muss zusätzlich Hartz IV beziehen.

Minijobs, sagt Müller-Gemmeke, sind „insbesondere für Frauen eine Armutsfalle“. Sie weiß zwar, dass ihr Entgeltgleichheitsantrag im Bundestag keine Chance haben wird. „Aber wenn wir nichts tun, wird sich nie was ändern“, sagt sie. Das zielt in Richtung SPD. Die hatte im Wahlkampf angekündigt, im Falle einer Regierungsbeteiligung rasch mit einem Gesetz gegen die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern aufzuwarten. Dafür müsste die SPD nicht mal nachdenken, sondern nur in die Schublade greifen. Dort schlummert seit der vergangenen Legislaturperiode, als die SPD in der Opposition war, ein entsprechender Gesetzentwurf. Der verpflichtet Unternehmen unter anderem dazu, über ihre Lohnlücken Auskunft zu geben. Gerade hat Frauenministerin Schwesig angekündigt, „Eckpunkte für ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg“ zu bringen. Was das genau heißt, blieb offen.