Rot-Rot wird blasser

Die PDS verliert im Osten Berlins rund 20 Prozent. SPD-Chef Beck sieht einen „Lafontaine-Malus“

30 Prozent für die SPD in Berlin und in Schwerin – immer ein Grund zum FeiernIn den östlichen Bezirken Berlins hat die Linkspartei fast 20 Prozent verloren

AUS BERLIN UND SCHWERINJENS KÖNIG, GEORG LÖWISCH
UND STEFAN REINECKE

30 Prozent für die SPD sind für Sozialdemokraten schon lange kein Grund mehr, eine Wahlparty ausfallen zu lassen. Klarer Sieg in Berlin, Fast-Sieg in Mecklenburg-Vorpommern, dazu noch eine traumhafte Situation für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, sich den Koalitionspartner in der Hauptstadt – Grüne oder Linkspartei – aussuchen zu können: Selbstverständlich, dass SPD-Chef Kurt Beck von einem „guten Tag“ für die Sozialdemokraten sprach.

Beck interpretierte beide Wahlergebnisse als „klaren Regierungsauftrag“ für die SPD. Welche Koalitionen das in Berlin und Schwerin zur Folge hat, ließ er natürlich offen. Das werde von den Landesverbänden selbst entschieden, sagte er. Aufschlussreich war jedoch schon, wie Beck der Wahl in der Hauptstadt „interessante Teilaspekte“ abgewinnen konnte. Rund 10 Prozent Verluste für die Linkspartei, im Ostteil der Stadt ist sie massiv eingebrochen – das interpretierte er als „eindeutigen Lafontaine-Malus“. Das sollte wohl jeder so verstehen, wie es Beck meinte: Lieber Rot-Grün als Rot-Rot. In mehreren Interviews der letzten Wochen hatte der SPD-Chef seine Antihaltung gegenüber der Linkspartei deutlich gemacht.

Selbst die Parteilinken wollten Beck an diesem Abend nicht widersprechen – obwohl sie es lieber sähen, wenn Wowereit die „erfolgreiche Zusammenarbeit mit der PDS“ (Vorstandsmitglied Niels Annen) fortsetzte. Dann würde die Option Rot-Rot in der Debatte um den zukünftigen Kurs der SPD bleiben.

Harald Wolf, Spitzenkandidat der Linkspartei in Berlin, klingt sachlich, nüchtern, so wie man ihn kennt. „Es war richtig, Verantwortung zu übernehmen“, sagt er. Die Linkspartei wollte 17 Prozent bekommen und deutlich vor den Grünen landen. Beides ist missglückt. Die Basis scheint die Regierungsbeteiligung der Linkspartei.PDS nicht goutiert zu haben. 2001 waren, sagen viele in der Linkspartei, die Umstände anders. Der Popstar Gregor Gysi war der Spitzenkandidat, der Berliner Bankenskandal erschütterte CDU und auch die SPD. Doch es fällt schwer, dieses Resultat nicht als Strafe für das unauffällige Regierungsgeschäft von Rot-Rot zu sehen. Wowereit hat es genutzt, der Linkspartei nicht.

Und noch eine Tendenz müsste den Linkspartei-Realos gelinde gesagt Sorgen machen. Die Linkspartei hat im Osten fast 20 Prozent verloren. Um das zu erklären, reicht kein Bankenskandal und kein Gysi. Katina Schubert, Vizechefin der Linkspartei, reagiert auf diese Zahl indes ähnlich gefasst wie Harald Wolf. Offenbar, meint sie, hat die Auseinandersetzung mit der Stasi manchen nicht gefallen. Und die Fusion mit der WASG auch nicht. „Wir werden“, so Schubert, „nicht mehr ungebrochen als Ostpartei wahrgenommen.“

Ungefähr 30 Prozent der Wähler haben die Linkspartei im Osten Berlins gewählt. Das ist „eine Normalisierung“, meint Schubert. So viel bekommt die PDS in manchen Regionen Ostdeutschlands, wenn es gut läuft. Man kann dieses Ergebnis, so wie Schubert, als Normalisierung der Ostpartei PDS auf dem Weg zur Linkspartei sehen.

Für den SPD-Ministerpräsidenten Harald Ringstorff in Schwerin hat sich die rot-rote Koalition nur einmal gelohnt. 1998 ging er als erster Sozialdemokrat eine Koalition mit der PDS ein, vier Jahre später gewann er als beliebter Landesvater mit einem plus von über 6 Prozent bei 40,6. Ringstorff hoffte, dass das noch mal klappen würde, reiste zuversichtlich durch den Wahlkampf und erzählte überall, dass es Mecklenburg-Vorpommern schon schaffen kann. Es ist daneben gegangen, die SPD brach ein: Verluste von rund 10 Prozent. Ringstorff verwies darauf, dass es 2002 mehr Rückenwind aus Berlin gegeben habe.

Das Einzige, mit dem sich die SPD trösten konnte, war, dass die CDU auch nichts gerissen hat. Sie dümpelte unter den 31,4 Prozent von 2002. Offensichtlich fanden die Wähler den Wahlkampf von Spitzenkandidat Jürgen Seidel langweilig. Seidel legte gestern nahe, dass seiner Partei vor allem die FDP Stimmen abgenommen hat. Die Liberalen umarmten sich gestern im Schweriner Landtag, als um 18 Uhr die Rückkehr ins Parlament und satte 10 Prozent verkündet wurden.

Die Nordost-PDS ist 1998 mit 24,4 Prozent in die rot-rote Koalition gestartet. Arbeitsminister Helmut Holter stieg als Star in das Bündnis ein und wurde bei dem Kunststück, den PDS-Anhängern Realpolitik zu verkaufen, verschlissen. 2002 sackte die Partei auf 16,4 Prozent ab. Diesmal inszenierte die PDS den 59-jährigen Umweltminister Wolfgang Methling als erfahrene Integrationsfigur. Es funktionierte immerhin ein bisschen – die PDS steigerte sich auf 18 Prozent.

CDU-Chef Seidel wollte gestern Ringstorff bei der PDS abwerben: Das Land brauche stabile Mehrheiten, sagte er mit Blick auf das Wahlergebnis von SPD und PDS. Vielleicht verhandelt Ringstorff mit der CDU. Allerdings sagte er: „Es gibt machmal auch knappe Mehrheiten.“