Das Reden bis zum Ende

HIPPEN RÄT AB In „Das Ende ist mein Anfang“ lässt Jo Baier den Bestseller von Tiziano Terzani in der schönen Toskana von Bruno Ganz vorlesen. Das gibt viel Text und wenig Film

Dem Film hat die große Nähe zur Vorlage nicht gut getan. Er wirkt, als hätte Jo Baier zuviel Ehrfurcht vor dem Buch und dem Protagonisten gehabt

VON WILFRIED HIPPEN

Bruno Ganz kann nichts dafür! Er liefert hier wieder eine bemerkenswerte schauspielerische Leistung, die eines besseren Filmes würdig gewesen wäre. Aus der Rolle des sterbenden Journalisten und Buchautoren Tiziano Terzani hat er wohl soviel herausgeholt wie möglich. Er verströmt das Charisma eines Menschen, der ein reiches Leben geführt und viel darüber nachgedacht hat. Und er macht den Charakter durch Widersprüche komplex und interessant, indem er etwa unterschwellig erahnen lässt, dass dieser alte Mann in der Toskana auch ziemlich eitel mit seinen Weisheiten protzt.

Vor allem aber gibt er sich die größte Mühe, jedes Wort so klingen zu lassen, als wäre es ihm just in dem Moment eingefallen, in dem er es ausspricht. Darin ist er ein Virtuose, aber leider muss er ein Unmenge an Text aus dem Buch bewältigen, auf dem der Film basiert, und so bemerkt auch ein gutwilliger Zuschauer nach einer Weile die Anstrengung und schauspielerische Technik, und spätestens dann sieht man nicht mehr Terzani auf der Leinwand sondern Bruno Ganz bei der Arbeit zu.

Tiziano Terzani arbeitet in den 70er Jahren als Korrespondent in Asien für den „Spiegel“ und italienische Zeitungen wie „La Republica“ und Corriere della Sera“. Er berichtete aus China, bis er dort kurz inhaftiert und dann ausgewiesen wurde und wandelte sich nach langen Aufenthalten in Japan, Thailand und im Himalaja von einem politischen Denker und Schreiber zu einem spirituellen Autoren, der die Philosophie des Buddhismus in sich aufnahm und eine Reihe von sehr erfolgreichen Büchern schrieb, von dem das Letzte von seiner schweren Krebskrankheit handelte, an der er 2004 auch starb.

„Das Ende ist mein Anfang“ wurde von seinem Sohn Folco Terzani geschrieben und basiert auf Gesprächen, die Sohn und Vater kurz vor dessen Tod im Jahr 2004 führten. Diese Dialoge sind aber eher lange Monologe, in denen Tiziano Folco seine Lebensgeschichte erzählt. Der Sohn ist dabei nicht viel mehr als ein Stichwortgeber. Dies wirkt zum Teil unfreiwillig komisch, denn ein Sohn fragt seinen Vater in einem Gespräch, das auch nur halbwegs natürlich wirken soll, nicht nach Dingen, die für beiden selbstverständlich sind und so keines Wortes der Erklärung bedürfen. Aber in der Fiktion, die der Film versucht, plausibel wirken zu lassen, hat der Sohn zum Beispiel keine Ahnung davon, was sein Vater in China erlebte.

So erzählt der Protagonist ungehindert in geschliffenen Formulierungen mit interessanten Episoden und Reflexionen. Jedes Wort ist druckreif, wie direkt aus dem Buch übernommen. Kein Wunder, denn Folco Terzani hat auch am Drehbuch mitgearbeitet.

Dem Film hat diese große Nähe zur Vorlage nicht gut getan. Er wirkt, als hätte der Regisseur Jo Baier zuviel Ehrfurcht vor dem Buch und Tiziano gehabt. Da wird nichts gegen den Strich gebürstet, und so passiert auch kaum etwas.

Erika Pluhar bekommt in einem ihrer seltenen Auftritte in der Rolle von Terzanis edel mitleidenden Frau Angela kaum etwas zu tun. Elio Germano wird in der Rolle des Sohnes in fast jeder Szene von Bruno Ganz schier überrollt. Natürlich soll er einen Sohn im Schatten seines übermächtigen Vaters spielen, aber dieser Konflikt wird nur halbherzig angedeutet.

Weil es kaum eine dramatische Entwicklung im Film gibt, berührt es am Ende auch kaum, wenn der Vater mit seinem Sohn einen letzten Berg besteigt und Bruno Ganz schließlich in einer ausführlichen Sterbeszene noch einmal großes Theater spielt. Tiefgang haben dagegen in einigen Passagen die Worte von Terzani, und so kann hier nur das Hörbuch empfohlen werden.