Der Klaus ist raus

IN EIGENER SACHE Klaus Wolschner, Gründer der taz.bremen, setzt sich offiziell zur Ruhe. Die verbleibende Redaktion muss jetzt lernen, sich bei aller Melancholie darüber zu freuen

Aufhören zu können ohne dafür zuvor tot umgefallen zu sein, ist eine bewundernswerte Fähigkeit

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Kennen Sie Momente, in denen Wut Sie übermannt, eine weißgühend aus dem Inneren emporsteigenden, heiße Welle der Wut und des Zorns? Mir persönlich ist niemand bekannt, der lange genug mit Klaus Wolschner zusammengearbeitet hätte, und dem diese Momente völlig erspart geblieben wären, die sich dann, bei den Glücklichsten von ihnen in einen Schrei entluden: Klaaauss! Die anderen leiden allesamt unter chronischen Magengeschwüren.

Denn mit Klaus Wolschner zu arbeiten ist oft wirklich beglückend, mitunter total lehrreich und sehr inspirierend. Es ist auch bewundernswert, dass da einer mit seinen 35-Jahren taz-Erfahrung ohne echten Tiefenkrach mit RedakteurInnen zusammenarbeitet, die eine, teils auch schon anderthalb Generationen jünger sind als er.

Aber es gibt eben auch jene Momente, in denen klar wird: Alle gültigen Konventionen, alle Absprachen, die fix, alle Vereinbarungen, die unumstößlich sind, hat er einfach mal so ausgehebelt übergangen – und durch eine ihm gemäßere Lösung ersetzt, ein Getrickse, das im Zweifel nicht nur schlecht zusammengebastelt ist, sondern auch so aussieht – wenn’s nicht beim Endredigat von der Chefin vom Dienst noch geheilt wird und gerettet: Intern ist für diese Art der Schummelei der Begriff des Wolschnerismus gebräuchlich, mitunter auch das Verbum „wolschnern“. Das ist nicht produktiv. Das wurmt fast jeden.

Und, wer so etwas nicht ertragen kann, der hat’s nie lange ausgehalten bei der taz.bremen oder ist darüber wahnsinnig geworden, wie wir, die verbliebenen RedakteurInnen, die jetzt weiterwurschteln. Denn das ist ja ein interner Konsens: dass Bremen ein bisschen mehr kritische Öffentlichkeit benötigt als andere Städte der gleichen Größenordnung – zum Beispiel, weil es eigenes Bundesland ist und sich hier, wie sonst nirgends, die Frage nach der Zukunft des Föderalismus, seiner Finanzverteilung etc. und zugleich die nach jener der Städte stellt: Es ist wichtig, dass Klaus Wolschner diese Redaktion hier gegründet hat.

Es ist wichtig, dass sie bei der Transformation von Hamburger und Bremer Lokalteil zur taz.nord nicht untergegangen ist. Und es ist wichtig, dass sie jetzt ohne Klaus weitermacht, der den Laden ja eben nicht nur gegründet, sondern auch öfters mit Tricksereien entgegen Absprachen und Beschlüssen, durch massives Wolschnern also, am Leben gehalten hat. Zum Glück.

Aufhören zu können ohne dafür zuvor tot umgefallen zu sein, das ist eine bewundernswerte Fähigkeit, über die längst nicht jede Gründer-Persönlichkeit verfügt. Insofern ist Klaus Wolschners Rückzug eigentlich eine ziemlich schöne Sache. Deswegen ist es für uns jetzt wichtig, sich daran zu erinnern, wie sehr man doch den Guten mitunter verflucht hat. Das macht es so viel leichter, sich mit ihm zu freuen und die jedem Journalismus abträglichen nostalgischen Anwandlungen abzustreifen. Sniff.

siehe auch SEITE 46