Bomben, Sexbomben überhaupt

Wie können sich junge KünstlerInnen der feministischen Gesellschaftstheorie nähern? Das in Basel, Lüneburg und Cork zu sehende Ausstellungsprojekt „Cooling Out – Zur Paradoxie des Feminismus“ sucht nach einer neuen Sprache des Feminismus

Die ökonomische Situation der Frauen, der Konflikt um knappe Ressourcen, bleibt in allen Werken ausgeblendet

von HORTENSE PISANO

Gefährlich schön, schießt es einem durch den Kopf, könnte der Titel des Porträts lauten. Von einem monochrom schwarzen Hintergrund hebt sich das makellose Gesicht einer jungen Frau ab. Ein brennendes Streichholz klemmt ihr im Mundwinkel, ersetzt die obligatorische Zigarette. Die coole Pose des Wild Girls verschmilzt auf dem Foto mit jener des blonden Engels. Josephine Meckseper, New Yorker Künstlerin und Herausgeberin des Magazins fat, mimt hier die ambivalente Sprache der Modefotografie nach, perfekten Frauenkörpern einen Hauch von Verletzlichkeit zu verleihen, und lässt bei „Pyromaniac 1“ das Modell mit der brenzligen Situation kokettieren. Im Kopf des Betrachters wird das brennende Streichholz zur tickenden Zeitbombe. Eine Warnung vor Zigarettenkonsum? Warum nicht? Im Film erregen Raucher derzeit ja größeren Protest als jeder in den Medien voyeuristisch zur Schau gestellte nackte weibliche Körper. Einen kleinen Schnappschuss hat Meckseper ihrem glamourösen Bild zur Seite gestellt. Das Brandenburger Tor ist zu erkennen, Rauch und Straßensperren deuten auf eine Demonstration in Berlin. 30 Jahre nach der Hochphase der Emanzipationsbewegung, so legt Mecksepers Fotoarbeit in der Ausstellung „Cooling Out“ im Kunsthaus Baselland nahe, ist die Generation junger Frauen zwischen den Klischees Powerfrau und Beauty erstarrt.

„Was ist eigentlich aus dem Feminismus geworden?“, Bettina Steinbrügge, Leiterin der Halle für Kunst in Lüneburg, moderierte die Diskussionsrunde aus Anlass der Ausstellung Anfang September in Basel. Bereits vor einem Jahr begann sie mit Sabine Schaschl-Cooper, Direktorin am Kunsthaus Baselland, sowie René Zechlin, Kurator der Glucksman Gallery in Cork, ihre Suche nach feministischen Tendenzen in der aktuellen Kunst. Das Konzept der drei Kuratoren wollte ein Gegenmodell zu den körperorientierten Arbeiten der postfeministischen Generation junger Künstlerinnen auf der Biennale in Venedig 2005 entwerfen. Also bilden die parallel in Muttenz/Basel, Cork und Lüneburg gezeigten Positionen kein Blut ab, wie es im preisgekrönten Biennale-Video bei Regina José Galindo floss, die ihren nackten Körper symbolisch zur Fläche für männliche Gewalt machte.

Joana Vasconcelos’ aus 14.000 Tampons gefädelter Lüster hatte in Venedig ja nicht nur die Kuratoren von „Cooling Out“ erstaunt, reduzierte doch die Arbeit der Portugiesin Weiblichkeit wieder auf die biologische Differenz. Daher forderte Steinbrügge – in Abgrenzung zu Vasconcelos‘ Tamponlüster – auf dem Panel eine neue Sprache des Feminismus. Doch wie könnte diese aussehen, da „Cooling Out“ explizit andere Strategien zur Sprache bringen will als jene der 70er-Jahre-Body-Art, die den weiblichen Körper zum Austragungsort sexueller Befreiung machte?

In der Auftaktschau im Kunsthaus Baselland ist Katrin Mayers Wandarbeit eine der wenigen, die die Vorbilder der 70er-Jahre-Emanzipationsbewegung aus unterschiedlichen Kontexten wie Kunst, Film oder Musik vorstellt. Punk-Ikone Debbie Harry, Agentin Emma Peel und Niki de Saint-Phalle blicken in Kopie von der Wand herab. De Saint-Phalles Schießaktion von 1961, registriert man, ist anders als ihre Nana-Figuren aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Mayers Collage, die installativ die Diskussionsrunde umrahmte, macht deutlich, wie selektiv Werke von Künstlerinnen bis heute wahrgenommen werden. Das agitatorische Motiv „Frau mit Waffe“, 1961 noch provokant, haben Actionheldinnen wie Emma Peel (man danke an ihre aktuelle Verkörperung durch Uma „Kill Bill“ Thurman) inzwischen salonfähig gemacht. Die Aneignung feministischer Rollenbilder zeigt Mayers Collage klar auf. Doch artikuliert sich darin schon eine neue Sprache des Feminismus? Die gebürtige Amerikanerin Elodie Pong, Jahrgang 1966, betritt quasi durchs Hintertürchen das Diskursfeld der Körperthematik. „Madame, je suis une bombe – une sexbombe“, stellt ihr Video eine Figur im Pandakostüm vor. Ein Kostüm, das eher die große Überraschung eines Kindergeburtstages sein könnte. Sobald sich die drollige Pandafigur jedoch in der Art einer Striptänzerin an der Stange bewegt, weiß man nicht, ist die Performance eher komisch oder tragisch? Pongs Rekurs auf den Körper gelingt, ohne die Kunstinstitution einmal mehr zur Bühne für nackte Weiblichkeit zu machen.

Über Elodie Pongs Beitrag hinaus vermeidet „Cooling Out“ offenbar Schockerlebnisse wie etwa Cindy Shermans zerstückelte Puppenkörper aus den 90er-Jahren und bevorzugt eine unaufgeregte Sichtweise. Zu harmlos wirkt dann aber Zilla Lauteneggers Videobeitrag zum Thema Brustvergrößerung – mittels zwei am Pullover befestigter Wollfäden plustert sich die 38-jährige Schweizerin ihre Brüste auf. Und die „3 Hamburger Frauen“ rutschen mit ihrem Wandbild „The Paradise City“ gleich ins Schwülstige ab. Als drei nackte Grazien haben sich die Malerinnen Ergül Cengiz, Henrieke Ribbe und Kathrin Wolf inmitten utopischer Architekturfantasien an die Wand des Foyers gemalt. Damit tappt auch „Cooling Out“ in die Falle, allegorische Bilder der Kunstgeschichte zu zitieren. Die Ausstellung im Baselland, so jedenfalls zeigen es die Videoarbeiten junger Künstlerinnen, darunter aber auch ein Videobeitrag von Dani Gal, Meisterschüler von Aise Erkmen, und einer von Erik van Lieshout, formuliert weniger eine neue Sprache des Feminismus als ein vorsichtiges Annähern an kulturell unterschiedlich geprägte Frauenbilder.

Dass der coole Frauentypus à la „Pyromaniac 1“ das bei uns gängige Frauenbild repräsentiert, gleichzeitig aber die berufliche Emanzipation deutlich abgekühlt ist, hat jüngst eine Debatte ausgelöst, die eine beachtliche Frustration der Frauen zum Vorschein brachte; bei der „Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman und ihrem neokonservativen Plädoyer für Küche statt Karriere ebenso wie bei ihren Gegnerinnen. Die „Paradoxie des Feminismus“, auf die „Cooling Out“ im Untertitel verweist, liegt tragischerweise darin, dass die ökonomische Situation der Frauen, der Konflikt um knappe Ressourcen, in sämtlichen ausgestellten Werken ausgeblendet bleibt. Die postfeministische KünstlerInnengeneration findet den politischen Ausweg aus ihrem Kuschel(dis)kurs nicht, der auf der irrigen Annahme beruht, der Streit heute ginge primär um immaterielles, kulturelles Leitungswissen, um Interpretationshegemonien und die Codierung von Symbolsystemen.

Bis 1. 10, Kunsthaus Baselland; bis 29. 10., Halle für Kunst Lüneburg; bis 29. 10, Lewis Glucksman Gallery, Cork