der machtwechsel in schweden läutet den sanften kurswechsel ein
: Schwedisches Modell, neu überarbeitet

In Schweden regieren die Sozialdemokraten, die „bürgerlichen“ Parteien bilden die Opposition: Dass diese Regel nach 74 Jahren nun zum dritten Mal gebrochen wurde, daran tragen die Sozialdemokraten selbst die Hauptschuld. Göran Persson, ihr Vorsitzender und Regierungschef, war deutlich amtsmüde geworden; konnte aber die Zügel nicht rechtzeitig loslassen. Ihre Rolle als eine Partei, die den Finger fest am Puls der Zeit hat, war den Sozialdemokraten zuletzt abhanden gekommen. Und wer seinen Wahlkampf vorwiegend mit dem Versprechen betreibt, endlich jene Probleme in den Griff zu bekommen, die drei Legislaturperioden ungelöst blieben, überzeugt eben nur noch die treuesten seiner Anhänger.

Eine Revolution bedeutet der Regierungswechsel sicherlich nicht: Dafür hat die siegreiche „Allianz“ unter Führung von Fredrik Reinfeldt kein Mandat bekommen, und auch die sozialliberalen Fraktionen der kleineren Koalitionsparteien würden sich gegen allzu weitgehende Einschnitte ins sozialstaatliche Netz sträuben. Ein strammer Rechtskurs würde ohnehin allenfalls dazu führen, dass die Sozialdemokraten in vier Jahren wieder die Macht zurückerobern. Oppositionsführer Fredrik Reinfeldt hat die Wahlen gewonnen, weil er seine Partei als „neue Arbeiterpartei“ und angeblich einzig wahre Verteidigerin des schwedischen Wohlfahrtsstaats positionierte. Dennoch enthält sein Wahlprogramm durchaus den Keim zu einem Kurswechsel: Belohnt werden soll in Zukunft der „produktive Teil“ der Bevölkerung. Die versprochenen Steuersenkungen gehen an den Rentnern vorbei und kommen Arbeitnehmern und Unternehmern zugute. Arbeitslose und Kranke müssen sich dagegen auf Kürzungen ihrer Leistungen einstellen. Damit wird Schweden immer noch ein ausgeprägter Sozialstaat bleiben. Doch er dürfte sich dem europäischen Durchschnitt annähern.

Von links wird deshalb schon der Tod des „schwedischen Modells“ prophezeit – oder von dem, was davon noch übrig geblieben ist. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird Reinfeldt dagegen bereits zur neuen Leitfigur der europäischen Konservativen ausgerufen. Ausgerechnet die postfaschistische Alleanza Nazionale in Italien bejubelte schon den „jungen Schweden“, dem es mit „einer neuen sozialen Ausrichtung“ gelungen sei, die „Macht der Sozialdemokraten zu brechen“. Auch in anderen Ländern gelte es nun, mit seiner Strategie – anstelle der alten, neoliberalen Rezepte – gezielt die „produktiven Teile der Bevölkerung“ zu gewinnen. Ist das schon ein neues „schwedisches Modell“? REINHARD WOLFF