portrait
: Der Weichzeichner von der Hinterbank

Übertriebene Prinzipienreiterei ist wohl das wenigste, das man Schwedens mutmaßlichem neuem Ministerpräsidenten vorwerfen kann. Seinen Spitznamen Flipp-Flopp Reinfeldt erhielt er nicht zufällig. Wie ein Springball änderte der 41-jährige Oppositionsführer in der Vergangenheit die Haltung zu vielen politischen Fragen – und das bis hinein in die heiße Wahlkampfphase. Die ihn nicht mögen, werfen Fredrik Reinfeldt grenzenlosen Opportunismus vor. Seine Anhänger sprechen von Pragmatismus, der im noch stark ideologisch geprägten politischen Klima Schwedens doch durchaus positiv und erfrischend sei. Er selbst hält sich für einen hellhörigen Politiker.

Nach einer katastrophalen Wahlniederlage, bei der den „Moderaten“ (MS) 2002 jeder dritte Wähler davongelaufen war, stieg der ehemalige Vorsitzende der MS-Jugendorganisation mangels Alternative schnell zum neuen Hoffnungsträger auf. Der nachdenklich wirkende Mann, der Ronald Reagan und Winston Churchill als meistbewunderte Politiker nennt, weil die aus hoffnungsloser Ausgangsposition heraus etwas bewegt hätten, verordnete seiner geschockten Partei eine Radikalkur. Auf deutsche Verhältnisse übertragen: Eine von ihrem Wirtschaftsflügel beherrschte FDP wird binnen zwei Jahren zu einer Partei mit der Programmatik der CDU-Sozialausschüsse umgekrempelt. Reinfeldt präsentierte ohne rot zu werden die „Neuen Moderaten“ als Arbeiterpartei. Und tatsächlich muss man genau hinsehen, will man deutliche programmatische Unterschiede zu den Sozialdemokraten, den traditionellen Hütern des Wohlfahrtsstaats, finden.

Doch Programme sind eine, praktische Politik eine andere Sache. Vor zwölf Jahren beschimpfte der gelernte Betriebswirt die Befürworter des Wohlfahrtsstaats als „geistig behindert und indoktriniert“, Schweden als vom Sozialstaat „versklavt“. Nun gewann er die Wahl damit, sich als dessen treuester Verteidiger zu gerieren. Im Dunkeln ließ er, was er mit dieser Gesellschaft weiter anstellen will. Keine bombastischen Botschaften vom „einzig möglichen politischen Weg“, keine radikalen Neuansätze. Selbst das Wort „Vision“ landete im Giftschrank.

Bevor er Parteichef wurde, war Reinfeldt ein Hinterbänkler, der in 15 Jahren Parlamentszeit kaum auffiel und sich vor allem in parteiinternen Streitereien einen Namen machte. Auf weiten Politikfeldern, von Außen- bis Umweltpolitik, gilt er als unbeschriebenes Blatt. Die SchwedInnen haben dem umgänglichen Vater von drei Kindern, der gern Abba hört, einen großen Vertrauensvorschuss eingeräumt. REINHARD WOLFF

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