Der EU-Doppelbeschluss

BRÜSSEL EU-Staatschefs kuscheln mit der Ukraine und weiten Sanktionen gegen Russland aus. Hinter verschlossenen Türen bereiten sie sich auf Handelskrieg mit Moskau vor

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Die Ukraine belohnen, Russland bestrafen: Mit diesem ungewöhnlichen EU-Doppelbeschluss ging gestern der Krisengipfel in Brüssel zu Ende. Die 28 Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichneten feierlich den politischen Teil des Assoziierungsabkommens, mit dem die Ukraine dauerhaft an den Westen gebunden werden soll. Zuvor hatten sie ihre Sanktionsliste um zwölf weitere russische „Ziele“ verlängert, darunter der stellvertretende russische Regierungschef Dmitri Rogosin.

Die Reaktion aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten: „Wir haben auf die ersten Sanktionen geantwortet. Nun werden wir auch auf diese reagieren“, kündigte ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Trotzdem wolle Russland die Zusammenarbeit mit der EU weiterentwickeln. Zuvor hatte Putin die Gesetze zur Annexion der Krim unterzeichnet. Damit ist die Ukraine nun de facto ein geteiltes Land.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Russland werde „früher oder später merken, dass die Verletzung des Völkerrechts von großem Nachteil ist“. Dies sollten die EU-Sanktionen deutlich machen. Gleichzeitig gab sie sich vorsichtig optimistisch, dass eine OSZE-Beobachtermission in der Ukraine zustande kommt.

Wesentlich härter traten Polen und Balten auf. Sie plädierten nicht nur für eine größere Nato-Präsenz in Osteuropa, um Russland militärisch abzuschrecken. Beim EU-Gipfel setzten sie zudem durch, dass die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten – also auch Deutschland – mit den Planungen für umfassende Wirtschaftssanktionen beginnen. Sie folgen damit US-Präsident Barack Obama, der bereits am Donnerstag neue Strafmaßnahmen angekündigt hatte.

Bei einem streng vertraulichen Abendessen am Donnerstag wurde sogar schon offen über die Folgen eines möglichen Handelskriegs diskutiert. Falls Russland seinerseits Sanktionen gegen die EU erlassen sollte, wären einige Staaten sehr verletzbar. Die Slowakei und Zypern fürchten um ihre Energieversorgung, Österreich um seine Banken, Deutschland um den Handel mit Russland. Nach Angaben von EU-Diplomaten wurde über mögliche Nothilfen diskutiert. Vor allem Deutschland fürchte sich vor Putins Zorn, hieß es. Offiziell wollte darüber aber niemand sprechen.

Viel lieber feierten die EU-Chefs den ukrainischen Interimspremier Arseni Jazenjuk. Bei seinem zweiten Besuch in Brüssel wurde er reich belohnt: Mit Hilfszusagen im Wert von 11 Milliarden Euro und dem lang ersehnten, von Expräsident Janukowitsch verschmähten Assoziierungsabkommen. Allerdings wurde zunächst nur der politische Teil unterschrieben. Darin verpflichtet sich die Ukraine unter anderem zur Respektierung der Menschenrechte, der freien Marktwirtschaft und zur engen Kooperation mit Europa. Der Handelsteil des Abkommens soll später unterschrieben werden. Die EU hatte Russland im Februar zugesichert, vor der Schaffung einer Freihandelszone mit Moskau zu sprechen. Allerdings will die EU schon im Juni einseitig auf fast alle Zölle für ukrainische Waren verzichten. Dies soll die Ukraine nach Angaben der EU-Kommission um knapp 500 Millionen Euro pro Jahr entlasten. Jazenjuk sagte, das Abkommen sei für sein Land von „existenzieller Bedeutung“. Die EU müsse nun auch die Energieversorgung der Ukraine sicherstellen. Zunächst will die EU aber ihre eigene Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland verringern. Bis Juni soll dazu ein Aktionsplan stehen.