Ortstermin: Die Lebensmittelbranche trifft sich über dem Hamburger Hafen
: Das Jammern der Optimisten

Die Welt ist einfach aus der Elbkuppel betrachtet – und im Prinzip gut, nur die Kommunikationslage ist schwierig

Peter Engel hält eine ausgerissene Bestsellerliste aus dem Spiegel hoch, dann eine Bild-Schlagzeile, ein Zeitungsporträt, ein Interview – und ärgert sich. Überall geht es um das neue Buch von Foodwatch-Chef Thilo Bode, überall geht es gegen die Lebensmittelbranche, gegen Engels Klienten. Eine junge Assistentin klebt die Ausschnitte an das Flipchart, während Engel die „Hysterie“ von NGOs geißelt. Engel ist Kommunikationsberater – auch für die Lebensmittelbranche. Und solche Dokumente sind die Wunden seiner Kunden. Er soll sie verarzten.

Engel steht am Rednerpult auf einem Symposium der Heinz Lohmann Stiftung. Die Stiftung gehört zum niedersächsischen Geflügel-Konzern PHW, unter anderem Produzent von Wiesenhof-Fleisch. Gekommen sind Vertreter der Lebensmittelbranche, um darüber zu reden, wie ihre Branche in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Die Antwort ist auch für die anderen Redner schnell klar: schlecht, und das zu unrecht.

So sitzen die Lebensmittel-Industriellen in der Elbkuppel auf den gepolsterten Stühlen des Hotels Hafen Hamburg und jammern. Die geladenen Redner, Professoren und PR-Profis, stimmen ein mehrstrophiges Klagelied an – über „mafiöse Tierschützer“, „leicht manipulierbare Medien“ und „irrationale Verbraucher“. Die Besucher können durch die gläsernen Wände auf die gemeine Außenwelt herabschauen: links die Stadt, Baukräne und der Fernsehturm; rechts die Elbe mit den Landungsbrücken, Blohm & Voss, der Horizont voller Hafenkräne. Herren im dunklen Anzug, Damen im Kostüm. Irgendwo im Plenum sitzt auch Schulreform-Verhinderer und Anwalt Walter Scheuerl, der für Unternehmen aus der Branche arbeitet.

Die Welt ist einfach aus der Elbkuppel betrachtet – und im Prinzip gut, nur die Kommunikationslage ist schwierig. Männer kaufen Autos, Frauen Lebensmittel, erklärt eine Referentin. Die Verbraucher-, Umwelt- und Tierschützer seien die „Pessimisten“, die Lebensmittel-Industriellen die „Optimisten“, die mit hoher Produktivität Welt und Wirtschaft voranbringen, sagt ein Professor. Wenn diese Gruppen nur nicht so viel Ärger machen würden, die sich um Tierschutz, gesunde Ernährung und die Umwelt sorgen.

Engels Lösung ist klar: Die Branche müsse zusammenstehen in Krisen. Wenn behauptet werde, dass etwas mit einem Produkt nicht stimme, solle es der Handel nicht aus den Regalen nehmen und der Produzent nicht auf seine Futterlieferanten zeigen. Alle Betriebe sollten Rückgrat zeigen. „Mutig sein.“ Nicht mutig ist es aus Engels Sicht, sich freiwillig strengere Regeln aufzuerlegen als vom Gesetzgeber gefordert, also „vor den Gruppen einzuknicken“.

Es bleibt die Aufgabe der eingeladenen Umweltschützer aus den hinteren Reihen und des Biobauern auf dem Podium, die Zuhörer daran zu erinnern, dass es auch berechtigte Kritik gibt, es nicht nur um Symbole geht.DANIEL KUMMETZ