Die Sneakers sind zu teuer

STREETBALL-DOKU Katharina Weingartner porträtiert in „Sneaker Stories“ drei junge Männer aus Accra, Wien und New York. Sie spielen auf der Straße Basketball, wollen es aber in die Profiliga NBA schaffen

Adrian, Karl und Aziz treibt die Sorge um, Turnschuhe zu finden, die ihr Basketballspiel beflügeln könnten

Basketball ist eine der schnellsten Ballsportarten der Welt. Die Körpertäuschungen der Spieler, ihre Schrittfolgen und Wurftechniken können den Lauf einer Partie in Sekundenbruchteilen beeinflussen.

Die österreichische Regisseurin Katharina Weingartner hat einen Dokumentarfilm über Basketball gedreht, der die hohe Geschwindigkeit bis fast zum schwerelosen Taumeln gedrosselt hat, und doch die Einzelheiten des Spiels erfahrbar macht. Das Rasseln der Korbkette, wenn der Ball eingenetzt wird, wirkt bei ihr wie eine kleine Befreiung. In methodisch langsamen Schnitten und ungewöhnlichen Kameraperspektiven – von weit oben auf das Spielfeld, von ganz nah am Boden auf die Spieler – hat sie sich an die Fersen dreier Streetball-Spieler geheftet, so genannt, weil sie auf der Straße Basketball spielen.

Weingartner porträtiert für „Sneaker Stories“ den Wiener Adrian, Karl aus Brooklyn und Aziz, der in der ghanaischen Hauptstadt Accra lebt. Alle drei vereint der Traum, eines Tages in der US-Profibasketballliga NBA Fuß zu fassen. Ob sie je den Sprung von der Straße in die begehrteste Spielklasse schaffen, lässt „Sneaker Stories“ offen. Stattdessen zeigt der Film das tägliche Training und die Lebenswelten von Adrian, Karl und Aziz. Alle drei treibt die Sorge um, Turnschuhe zu finden, die ihr Basketballspiel beflügeln könnten.

Aziz kann sich die teuren Sneakers schlichtweg nicht leisten, sie kosten in Ghana mehr als einen Monatslohn. Er schlendert über den Markt seiner Heimatstadt und begutachtet die Schuhe mit einer Mischung aus Abscheu und Neid. Auf dem Spielfeld betet er zu Allah. Bislang hat noch kein ghanaischer Streetballspieler den Sprung in die USA geschafft. Mit seiner Freundin besichtigt Aziz eine Festung, von wo aus einst Sklaven in die neue Welt verschleppt wurden. Sein Kollege Karl wohnt in Red Hook, einem Viertel im Süden Brooklyns.

Karl spielt auf der Position des Center, des zentralen Mittelfeldspielers. Außerdem aber ist er auch Zeugwart seines Teams „Paradise“. Er muss für die ganze Mannschaft billige Modelle beim Schlussverkauf einkaufen. Mit Spielerkollegen lamentiert er darüber, dass der Sportartikelhersteller Nike Milliarden mit dem Image von schwarzen Sportlern verdient habe, aber der Community kein Geld zurückgibt.

Auch Adrian kennt die Edelsneakers von Nike nur aus einem Basketball-Magazin. Er lebt erst seit kurzem in Wien. Eigentlich stammt er aus der rumänischen Stadt Timișoara. Jede freie Sekunde trifft er sich auf einem Basketballfeld, das inmitten eines verkehrsumtosten Wiener Platzes liegt, mit gleichgesinnten Jugendlichen zum Streetball-Spielen oder macht Krafttraining in einem Hinterhof. Seilhüpfen am Parkplatz, Klimmzüge an einem Wellblechdach. Er ist verbissen und strahlt doch Gelassenheit aus.

Das Niveau in der NBA, sagt einer der Spieler, sei gar nicht so hoch. Auf der Straße werde viel härter gespielt, dort gebe es die wahren Ausnahmekönner, die alle Tricks beherrschten.

JULIAN WEBER

■ „Sneaker Stories“. Regie: Katharina Weingartner. Österr./USA 2008, 95 Min. Im Eiszeit-Kino Kreuzberg, 7. bis 13. 10.