leserinnenbriefe
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Wo Frauen nicht auftauchen

■ betr.: „Lasst das ‚I‘ endlich weg“, „Von Mann zu Mann“,taz vom 2. 10. 10

Es mag ja sein, dass es die Intention gibt, Frauen mitzudenken, wenn die männliche Form eines Wortes benutzt wird. Nur: unser Hirn ist mithilfe von Sprache organisiert, und wer in Sprache nicht vorkommt, existiert sozial gesehen nicht. Wer daran zweifelt, dass Frauen eben doch unter den Tisch fallen, wenn sie nicht explizit erwähnt werden, mag es Elke Heise („Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen. Sprache/Kognition, 2000, 19, 3–13) nachtun und in seinem Bekanntenkreis darum bitten, eine Geschichte weiterzuschreiben, die mit den Worten beginnt „Stehen zwei Vegetarier vor dem Metzger …“, und auffordern, den Vegetariern Namen zu geben. Mit ziemlicher Sicherheit werden mehr als 50 % der verwendeten Namen Männernamen sein; gälte das Maskulinum tatsächlich für beide Geschlechter, darf das nicht der Fall sein. Diese und ähnliche Untersuchungen sind nicht neu; mich nervt ein wenig, trotzdem diskutieren zu müssen, warum es wichtig ist, Frauen explizit zu erwähnen. So schlimm kann ein Binnen-I doch nicht sein, und geschlechtsneutrale Formulierungen lassen sich auch finden. Wenn Frauen einen gleichberechtigten Anteil an der Welt haben sollen, muss dies in den Köpfen anfangen, und dafür brauchen wir eine präzise Sprache, etwa auch, um aufzudecken, wo eben Frauen überall nicht auftauchen. JULIA WEINMANN, Köln

Falsches Bild von Schrift

■ betr.: „Lasst sie vor der Schule schreiben lernen!“, taz v. 6. 10. 10

Diese Expertin hat für mich eindeutig das falsche Bild von Schrift. Schrift ist meistens funktional und gleichzeitig individuell. Kalligraphie hat in der Grundschule nichts zu suchen. Vor allem auch, weil es nicht mehr in unsere Welt passt: Die meisten Leute benutzen ihre Handschrift nahezu ausschließlich für sich selbst und auch in allen anderen Fällen kommt es nur auf Lesbarkeit an. Der Großteil unserer Schrifterzeugnisse wird in der Gegenwart digital produziert und nicht handschriftlich. Statt Kindern minutiös das Schreiben einzelner Buchstaben in gleich zwei Handschriften (Druck- und sogenannte Schreibschrift) beizubringen, sollte man ihnen lieber ab der zweiten Klasse 10-Finger-Schreiben beibringen, um Tippfehler zu verringern und später ein flüssiges Arbeiten zu ermöglichen.

Bevor man Kinder unnötig mit den eigenen ästhetischen Vorstellungen an Handschriften quält, sollte man sich lieber überlegen, welche Bedeutung Handschriften außerhalb der Schule überhaupt noch haben. SVEN LÜDERS, Münster

EU muss unbedingt tätig werden

■ betr.: „Gentech-Aufseherin arbeitet für die Industrie“,taz vom 5. 10. 10

Vor dem Hintergrund der Verbandelung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit dem industrienahen International Life Sciences Institute ist nun immerhin erklärbar, warum bisher von der EU noch keine einzige gentechnisch veränderte Pflanze nicht zugelassen wurde. Dass es mit der vielbeschworenen Unabhängigkeit der EU-Behörde nicht so weit her ist, hat bereits eine Reportage des Westdeutschen Rundfunks im April dieses Jahres gezeigt, nach der auch andere der EFSA angehörende WissenschaftlerInnen nicht frei von Industriebeziehungen sind.

Schließlich sind auch andere Entscheidungen der EFSA nicht unbedenklich, wie jetzt die Verharmlosung der Chemikalie Bisphenol-A zeigt, vor der nicht nur das Umweltbundesamt warnt. Außerdem hält sie Produkte geklonter Tiere für unbedenklich. Auf ihre Fürsprache hin hat die EU sogar Gentechnik in Babynahrung zugelassen. Der Verbraucherschutz in Europa ist durch diese Behörde nicht gegeben. Die EU muss hier unbedingt tätig werden.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Recht auf freie Meinungsäußerung

■ betr.: „Zeichne nicht den Propheten“, taz vom 4. 10. 10

Molly Norris hat keinen Fehler begangen. Sie hat ihr Recht auf freie Meinungsäußerung genutzt, und zwar auf einem zeitgemäßen Kanal wie Facebook. Die Tragik liegt doch darin, dass wir die schwer erkämpfte Meinungsfreiheit wieder verlieren, weil einige mordgierige Moslems, jeden Anlass nutzen, Menschen zu bedrohen, beziehungsweise die Angst vor diesen möglichen Tätern zu Zensur und Selbstzensur führen. ANDREAS SCHÄFER, Solingen