Intime Seelen-Wanderung

TRAUERMUSIK Auf seinem aktuellen Album „A Mãe“ vertont der portugiesische Komponist Rodrigo Leão mit dem „Cinema Ensemble“ den Schmerz über den Tod seiner Mutter

Rodrigo Leãos aktuelles Album „A Mãe“ ist eine Art intimes Reisetagebuch

VON ROBERT MATTHIES

Die unterschiedlichsten musikalischen Einflüsse hat er immer schon zusammengefügt. Bekannt geworden ist der portugiesische Keyboarder und Komponist Rodrigo Leão vor knapp dreißig Jahren, als er mit seiner Band „Sétima Legião“ anfing, Post-Punk à la „Joy Division“ immer mehr mit dem musikalischen Erbe seiner iberischen Heimat und deren traditionellen Instrumenten zu verbinden. Als Keyboarder von „Madredeus“, heute eine der prominentesten Bands des Landes, hat der Lissaboner die Modernisierung der portugiesischen Folklore kurz darauf konsequent weitergeführt. Deren melancholischer Pop-Fado ist seit 1994 durch den Soundtrack für Wim Wenders „Lisbon Story“ auch international ein Begriff – und einer der erfolgreichsten Kultur-Exporte Portugals.

Seit 15 Jahren wandelt Leão nun auf Solo-Pfaden, arbeitet mit unterschiedlichen Ensembles und Bands und verknüpft die portugiesische Melancholie mit immer mehr musikalischen Fäden. Ob Bossa Nova, Tango Argentino, Jazz, französische Musette und Chansons, Elektronik-Basteleien im Stile Mike Oldfields oder Brian Enos, Filmmusik wie von Ennio Morricone und Minimalismus im Stile Philipp Glass’ oder Michael Nymans: Leãos musikalische Bandbreite scheint keine Grenzen zu kennen.

Dabei bewahrt sich seine Musik durchaus ihr Pop-Potenzial. Sein Album „Cinema“, eine Hommage an das Kino und das filmische Arbeiten, für die er unter anderem mit „Portishead“-Sängerin Beth Gibbons, seinem kongenialen japanischen Klangtüftler-Kollegen Ryuichi Sakamoto und der brasilianischen Bossa Nova-Legende Rosa Passos zusammengearbeitet hat, kletterte vor sechs Jahren leichtfüßig auf Platz eins der portugiesischen Charts, auf der iberischen Halbinsel sind seine Konzerte regelmäßig ausverkauft.

Leãos aktueller Streich heißt „A Mãe“. Eingespielt hat der Mittvierziger das Album, das vor allem den Schmerz über den Tod seiner vor kurzem verstorbenen Mutter in Klang verwandelt, mit dem „Cinema Ensemble“. Eine Art intimes Reisetagebuch: Mit Kopfhörer, Keyboard und Laptop ist der Portugiese durch Spanien und Italien, nach New York und ins indische Goa gezogen. Nicht, um die Klänge seiner Umgebung aufzunehmen, sondern um tief in sich selbst hineinzuhorchen und seinen emotionalen Zustand zu vertonen: mal Melancholie, mal tiefe Trauer, mal Sehnsucht, dann wieder Hoffnung – mal schmalzig, mal erhaben, mal im Walzertakt.

Auch für „A Mãe“ hat sich Leão wieder international renommierte Gäste eingeladen: Neil Hannon, Sänger der nordirischen Kammerpopper „The Divine Comedy“, und Stuart A. Staples von den britischen Indierockern „Tindersticks“ sind ebenso dabei wie der argentinische Tango-Sänger Melingo.

Am Sonntag stellen Rodrigo Leão und sein siebenköpfiges Ensemble die akustische Seelen-Wanderung in der Fabrik vor – im strengen Schwarz der Fadista.

■ So, 10. 10., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36