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: Ein Sieg wäre ein Wunder

BUNDESLIGA Am Dienstag empfängt Hertha BSC den FC Bayern im ausverkauften Olympiastadion. Nach zuletzt zwei Niederlagen der Berliner keine dankbare Aufgabe

Die Harlem Globetrotters sind dieser Tage in der Stadt. Ja, das ist diese Basketball-Truppe, die seit mehr als 80 Jahren durch die Lande zieht und dabei ein Showprogramm abzieht: Spektakuläre Dunkings, Wahnsinnsdribblings und Pässe, bei denen sie sich fast verbiegen. Sie touren rund um den Globus, um zu zeigen, was man mit Körper und Ball so alles anstellen kann.

Es ist eine interessante Koinzidenz, dass am Dienstag der FC Bayern München zu Gast bei Hertha BSC ist. Denn für den FC Bayern muss sich die Bundesliga, die sie nach Belieben dominieren, derzeit ähnlich anfühlen wie die Shows für die Harlem Globetrotters. Für Schweinsteiger & Co. gleicht es einer Städtetournee, die eher dazu dient, überall einmal vorzuspielen. Ein Gang in die Niederungen, in die man sich begibt, weil es eben der Beruf ist. Sehen Sie Manuel Neuer und Franck Ribéry live! Übersteiger, Paraden und Hacke, Spitze, eins-zwei-drei! 80 Prozent Ballbesitz garantiert!

Man vergisst fast, dass die Bayern Teil eines Ligabetriebs sind, dass sie mit Teams wie Hertha überhaupt in Konkurrenz stehen. Am morgigen Abend empfängt der Bundesliga-Neunte zu Hause den Bundesliga-Spitzenreiter – das Spiel des Jahres für Hertha.

Der Sieger scheint bereits festzustehen. Denn Teams wie Wolfsburg kassierten zuletzt im eigenen Stadion sechs Treffer gegen die bajuwarischen Überkicker, selbst die gut mithaltenden Mainzer mussten sich am Wochenende 0:2 geschlagen geben. Seit 51 Bundesliga-Spielen ist Bayern jetzt unbesiegt. Als sie zum letzten Mal verloren – am 28. Oktober 2012 –, galt Uli Hoeneß noch als unbescholtener Bürger, die NSA war ein normaler Geheimdienst, und der Papst hieß Joseph Ratzinger. Ach so, Meister werden könnten die Bayern auch schon am morgigen Abend, als frühester Deutscher Meister ever.

Umso größer wird der Reiz, die Unbesiegbaren zu besiegen, diese Serie mal zu beenden. Den Bayern nicht nur als Statisten und Slalomstangen zu dienen. Derzeit – nach zwei 0:3-Pleiten in Folge – gliche ein Hertha-Sieg einem wahrhaftigen Wunder, in etwa so, als würde der BER noch in diesem Jahr eröffnet.

Wenig macht Hoffnung auf die Sensation: Zwar war es tatsächlich der Zweitliga-Aufsteiger von der Spree, der die Bayern beim 2:3 im Hinspiel am Rande einer Niederlage hatte. Mit der derzeitigen Hertha aber hat dies wenig zu tun – in Gladbach machte das Team von Jos Luhukay am Samstag beim 0:3 eines der schlechtesten Saisonspiele. Hertha steckt in einer kleinen Krise, von zuletzt vier Spielen gewann man keins und schoss ein ganzes Törchen in diesen 360 Minuten.

Man kann eine solche Negativserie als die übliche Schwächeperiode innerhalb einer Saison interpretieren, die jedes Team – außer der morgige Gegner – hat. Man kann sie aber auch am Fehlen des Kapitäns und Innenverteidigers Fabian Lustenberger und Tolga Cigercis festmachen. Zuletzt wurde Ronny wieder eingesetzt, zunächst spielte er stark, am Samstag aber trabte er zumeist über den Platz. Trotz aller Schussgewalt und Finesse passt er nicht zu einem flotten Kurzpass- und Umschaltspiel. Angesichts der Abwehr, die gegen Hannover und Gladbach sechs Treffer kassierte, kann einem Angst und Bange werden. Nun fehlt auch noch Verteidiger Sebastian Langkamp gelb gesperrt.

Hoffen lässt nur eins: Dieses Team wird oder besser: sollte sich zerreißen, um das Unmögliche möglich zu machen. Andere Teams gingen zuletzt mit der Maßgabe ins Spiel, nicht zu hoch zu verlieren. Die falscheste aller denkbaren Herangehensweisen. Hertha sollte in der jetzigen Verfassung nicht glauben, spielerisch mithalten zu können. Etliche brachen bei diesem Versuch im Verlauf des Spiels gegen die Münchener ein. Nein, es geht um Arbeit, um Kampf. Und dann, mit ganz ganz viel Willen und Leidenschaft geht ja vielleicht doch …

Klammheimlich werden dies die Hertha-Fans unter den erwarteten 76.197 Zuschauern – dank einer Zusatztribüne werden’s ein paar mehr sein als üblich – doch hoffen. Im Idealfall sehen sie ein Team, das das Spiel der Bayern stört und zerstört. Denn morgen verhält es sich doch etwas anders als bei den Harlem Globetrotters: Der Großteil der Zuschauer im weiten Rund hat eine horrende Summe deshalb bezahlt, da- mit das Spektakel und der Zauberfußball der in Rot Gekleideten verhindert werden.

JENS UTHOFF