„Es wird weniger Fachärzte geben“

Ein breites Bündnis aus dem Hamburger Gesundheitswesen protestiert gegen die geplante Gesundheitsreform. Der HNO-Arzt Dirk Heinrich befürchtet, dass die Gesundheitsversorgung mit den Änderungen deutlich schlechter wird

taz: Herr Heinrich, Ihre Hals-Nasen-Ohren-Praxis in Hamburg-Horn bleibt diese Woche geschlossen, weil Sie sich am Protest gegen die Gesundheitsreform beteiligen. Warum?

Dirk Heinrich: Es ist geplant, die Organisation der Gesundheitsversorgung in Berlin zu zentralisieren. Die Besonderheiten, die wir in Hamburg haben, werden sich nicht mehr niederschlagen.

Welche Besonderheiten hat Hamburg?

Wir haben viel hochspezialisierte Medizin. Das liegt daran, dass wir das Umland mitversorgen. Wenn die Reform durchgesetzt wird, werden die Kassen deutlich weniger Geld bekommen. Dann werden wir diese hochspezialisierte Medizin nicht mehr vorhalten können. Wir bekommen eine Wartelistenmedizin nach englischem Vorbild.

Weil es weniger Fachärzte geben wird?

Es wird zum einen weniger Fachärzte geben. Außerdem werden die einzelnen Praxen nur noch weniger Personal beschäftigen können. Und das nächste Gerät, das kaputtgeht, wird nicht mehr ersetzt.

Warum wird das gerade für Fachärzte ein Problem?

Weil hochspezialisierte Medizin relativ teuer ist. Die Hausärzte sind aber auch gegen die Reform. Sie werden nur noch nach festen Leitlinien für bestimmte Krankheitsbilder bezahlt. Es ist aber nicht möglich, Krankheiten in Schemata zu pressen. Bluthochdruck ist nicht gleich Bluthochdruck.

Dass die Organisation zentralisiert wird, heißt nicht zwangsläufig, dass es weniger Geld gibt.

Doch. Es wird für alle in Deutschland gleich schlecht bezahlt. Nach dem derzeitigen Konzept stehen in Hamburg pro Patient pro Jahr 400 Euro weniger zur Verfügung. Damit können Sie die Praxen nicht mehr halten. Die Patienten werden sich auf Wartelisten wiederfinden.

Das Hauptproblem für Patienten wird sein, dass sie auf ihre Behandlung länger warten müssen?

Oder sie gar nicht mehr bekommen, weil die Fachärzte in der Umgebung die teuren Geräte abgeschafft haben. Dann wird ein Patient eine Überweisung in die Hand bekommen und sich anhören müssen, dass er sich einen anderen Arzt suchen muss.

Dass alle Fachärzte notwenige Geräte abschaffen, klingt doch etwas dramatisierend.

Selbstverständlich wird es in Hamburg dann noch ein oder zwei Ärzte geben, die das Gerät haben. Die werden aber keine Kassenpatienten mehr nehmen. Dann hängt die Qualität der medizinischen Versorgung davon ab, ob Sie Geld haben oder nicht. Meine Praxis ist in Horn. Die Patienten dort haben eher weniger Geld. Die sind dann die Dummen.

Ist das nicht Schwarzmalerei?

Wir stehen am Anfang dieser Entwicklung. Und können uns nicht leisten, abzuwarten, bis wir mittendrin sind. In zwei Jahren wird es so anfangen, wie ich es beschrieben habe, und in fünf Jahren haben wir das volle Bild.

Ärzten wird manchmal Gejammere auf hohem Niveau nachgesagt.

Das sind Denkschablonen von vorgestern. Dass jeder Arzt einen Mercedes fährt und superreich ist, hat mit der heutigen Realität nichts mehr zu tun. Ein Kollege aus Jenfeld hat kürzlich aufgehört. Seine Praxis war unverkäuflich. Der hat keinen gefunden, der noch bereit war, die Praxis zu übernehmen. Wissen Sie, warum? Weil er keine Privatpatienten hat. Und wir von Kassenpatienten nicht mehr leben können.

INTERVIEW: ELKE SPANNER