Unterschiedliche Wege, eine Krise zu bewältigen

Nach der Landtagswahl in Berlin gibt es drei potenzielle Kandidaten für den Posten des Kultursenators – und der Streit um die drei Opern ist sicher

Selbst wer der Kulturpolitik Berlins in den vergangenen fünf Jahren kritisch gegenüberstand, muss zugestehen, dass einiges in Bewegung war. Opern- und Theaterintendanten wurden gefeuert, eine Opernstiftung gegründet. Es gab Krach wegen der Gedenkstättenpolitik und Gerangel um das Geld vom Bund. Zuletzt sorgte der Kultursenator Thomas Flierl (PDS) für Ärger wegen seiner umstrittenen Rückgabe von Kirchners „Berliner Straßenszene“ (1913) an die Erben der jüdischen Vorbesitzer.

Jetzt, nach der Landtagswahl und einem Resultat, bei dem die politischen Konstellationen von Rot-Rot oder Rot-Grün und theoretisch sogar von Rot-Schwarz möglich sind, herrscht dagegen ein kulturpolitisches Vakuum. Die Fragen, wohin sich in den kommenden Jahren die Kulturpolitik in der Hauptstadt bewegt, wer ihre Akteure sind und welche Akzente gesetzt werden, sind offen.

Schaut man aber genauer hin, liegen beim Personal drei Optionen auf der Hand. Kommt es zur Neuauflage von Rot-Rot, bleibt es möglicherweise bei Flierl als Senator und seiner Politik des kulturellen Strukturwandels.

Koaliert die SPD aber mit den Grünen, dürfte deren langjährige Kulturpolitikerin Alice Ströver ihre Ansprüche auf das Amt geltend machen. Die dritte und wahrscheinlichste Möglichkeit ist, dass Senatskanzleichef André Schmitz (SPD), früherer Direktor der Staatsoper Unter den Linden, seine Ambitionen auf den Sessel des obersten Kulturamtsleiters wahr macht.

Steht auch bei allen Kandidaten kein Paradigmenwechsel Berliner Kulturpolitik ins Haus, so unterscheiden sie sich doch bei einem der drängendsten kulturellen Probleme in der Stadt: der Reform der Berliner Opernhäuser und deren Finanzierung.

Noch 2003 hatte Flierl mit der Gründung der Opernstiftung die Rettung aller drei Bühnen – der Staatsoper, der Deutschen Oper und der Komischen Oper – gefeiert. Die geplanten Einsparungen hat Michael Schindhelm, Direktor der Stiftung, jedoch nicht geschafft. Mehr noch, die vorgesehene Absenkung der Mittel von jetzt 112 Millionen Euro auf 99 Millionen Euro 2009 nannte er kürzlich „unrealistisch“. Klaus Wowereit warf Schindhelm daraufhin vor, er sei „falsch“ am Platz. Auch Schmitz tadelte den Operndirektor. Dass Berlin erneut vor einer großen Opernkrise und der Debatte um die Schließung eines Hauses wie 2002 stünde, sieht Flierl nicht. Er lehnt die Abwicklung einer Bühne kategorisch ab und steht zur Opernstiftung. Seine grüne Konkurrentin Ströver hält die Institution dagegen für problematisch und will den Zeitraum für die Einsparungen an den Opernhäusern strecken. Zugleich plädiert die Kulturexpertin für mehr Mittel vom Bund, um den Exodus abzufangen.

Der SPD-Politiker Schmitz, der ein besseres Repertoire, klarere Profile und künstlerische Innovationen zur Lösung vorschlägt, hält an drei Standorten dagegen nicht unbedingt fest.

Experten in puncto Berliner Bühnen meinen, dass eine Opernkrise nur abgewendet werden kann, wenn der Bund, die Stiftung und das Land kooperieren. Am Beispiel der sanierungsbedürftigen Linden-Staatsoper, für die der Bund 50 Millionen Euro bereitstellen würde – bei gleichen finanziellen Anteilen Berlins –, könnte ein Bund-Land-Stiftungs-Deal das Modell sein, sowohl die Finanzprobleme der anderen Opernhäuser als auch die der Sprechbühnen in den Griff zu kriegen. Ströver hat in der Vergangenheit diesen Weg angeregt. Schmitz würde die Alimentierung ebenfalls zusagen. Nur Flierl setzt auf die endogenen Kräfte kultureller Strukturveränderungen. Es ist der schwerste und gefährlichste Weg – aber vielleicht der sicherste angesichts leerer Kassen allüberall. ROLF LAUTENSCHLÄGER