Rot-Grün zofft sich um Hochschulen in NRW

BILDUNG SPD wollte Unis wieder stärker zügeln. Doch die Rektoren stehen im Weg – und die Grünen

„Das ist noch nicht ausverhandelt“

NRW-POLITIKERIN RUTH SEIDL (GRÜNE)

BERLIN taz | Sie will Nordrhein-Westfalens Hochschulen in eine bessere Zukunft führen. Jetzt bedroht das Hochschulzukunftsgesetz ihre eigene Zukunft: Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) steht wegen des geplanten neuen Gesetzes in der Schusslinie von Freund und Feind. Zuletzt meldete sich auch der Koalitionspartner zu Wort. Die grüne Hochschulexpertin Ruth Seidl kritisierte, dass ein inoffizieller Referentenentwurf aus Schulzes Ministerium in der Öffentlichkeit kursiert – und distanzierte sich umgehend davon. „Das ist noch nicht ausverhandelt“, sagte sie der taz.

Die 37 Hochschulen in NRW hatten von der einstigen CDU-FDP-Regierung 2007 weitreichende Freiheiten bekommen – mehr als im Rest der Republik. Sie agieren heute wie selbstständige Unternehmen und haben die Hoheit über Personal und Budget. Das Land übt nur noch die Rechtsaufsicht aus.

Schulze will dem Land in den Hochschulen wieder mehr Einfluss verschaffen und Transparenz und Arbeitsbedingungen verbessern. Ein neues Hochschulgesetz war zwischen SPD und Grünen längst vereinbart. Doch den Grünen stecken in dem SPD-Entwurf zu viele Restriktionen, zu wenige Anreize.

Pech für die Ministerin: Damit schlägt sich der Koalitionspartner zum Teil auf die Seite der schärfsten Schulze-Kritiker. Das sind die RektorInnen.

Diese mobilisierten zu Jahresbeginn gegen den ersten öffentlichen Gesetzentwurf, den die Ministerin im November vorgelegt hatte. Insbesondere die geplanten Rahmenvorgaben des Landes und die neuen Veröffentlichungspflichten gehen ihnen viel zu weit. Sie sehen ein monokratisches System heraufziehen. Nicht weit genug geht Schulzes Entwurf dagegen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), eigentlich eine natürliche Verbündete der Ministerin. Die GEW veröffentlichte im März eine Erklärung, die aktuell 300 Professorinnen und Professoren unterschrieben haben. Darin fordern sie, dass die Politik die Befugnisse der Rektorinnen noch stärker beschneidet und den universitären Gremien mehr Mitbestimmung einräumt. „Ein Scheitern würde die jetzigen Machtverhältnisse in den Hochschulen zementieren und auf unabsehbare Zeit blockieren.“

Die Rektoren haben bisher offenbar die bessere Lobby. Jedenfalls legt das der geänderte Gesetzentwurf vom 20. Februar nahe, der der taz vorliegt. An welchen Projekten die Hochschulen im Auftrag von Unternehmen forschen, erfährt die Öffentlichkeit demnach erst, wenn diese abgeschlossen sind, Zielvorgaben sollen weder messbar noch überprüfbar sein. Und das Ministerium will auch nicht mehr über sämtliche Angelegenheiten der Hochschule informiert werden. Nicht nur die Grünen sind verärgert über diesen inoffiziellen Gesetzentwurf. Auch Gruppen wie Attac und der Arbeitskreis Zivilklausel an der Uni Köln haben in einem offenen Brief beklagt, dass es also dabei bleiben soll, „dass die Wirtschaft mit ihrer Dominanz in den Hochschulräten und über üppige Drittmittelfinanzierung maßgeblich Einfluss auf Fragestellungen und wissenschaftliche Erkenntnisprozesse nehmen kann“. Die rot-grüne Regierung in NRW will den Entwurf voraussichtlich Anfang April im Kabinett beschließen. „Wir reden jetzt erst mal weiter“, kündigte Grünen-Hochschulexpertin Seidl an. ANNA LEHMANN