Offener Binnenmarkt bleibt Patentrezept

EU-Kommission will „nationale Egoismen“ bekämpfen, um das „Projekt Europa“ wieder nach vorn zu bringen

BRÜSSEL taz ■ Glaubt man Sprecher Johannes Laitenberger, war der Betriebsausflug der EU-Kommission ins wallonische Städtchen Provondal ein voller Erfolg. Einen ganzen Tag hatten sich die 25 Kommissare Zeit genommen, um am Ende festzustellen: „Die Union ist in besserer Verfassung als vor zwei Jahren.“ Einen Neuanfang gibt es nicht.

Zwar ist die Verfassungskrise noch lange nicht gelöst, der Binnenmarkt für Energie droht an nationalen Egoismen zu scheitern, die gemeinsame Innenpolitik kommt nur im Schneckentempo voran. Doch die Kommissare seien „voller Energie und Tatkraft“, versicherte der Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Vor dem Treffen war spekuliert worden, Barroso wolle seine als neoliberal kritisierte Politik aufgeben. Verfechter dieser Linie wie der Ire Charlie McCreevy und Industriekommissar Günter Verheugen könnten sich nicht mehr so gut durchsetzen. Mit einer stärker an sozialen Fragen und Verbraucherinteressen orientierten Gesetzgebung sollten dem Projekt Europa Anhänger zurückgewonnen werden. Die Erklärung, die Laitenberger nach dem Seminar verlas, stützt diese Spekulationen nicht. Der Binnenmarkt bleibe das Aushängeschild europäischer Politik. Hier kämen ihre Vorteile am deutlichsten zur Geltung. Freier Kapital- und Warenverkehr, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sollten weiter ausgebaut werden. Nur so könne sich Europa für die Globalisierung rüsten, Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen.

„Nationalem Egoismus“ will die Kommission gegensteuern – wenn es nicht anders geht, mit der Angleichung von Gesetzen. „Wo 27 Gesetze das Hindernis sind, müssen sie harmonisiert werden“, kündigte Laitenberger an. Beim Dienstleistungsmarkt etwa hieße dies, dass die Kommission ein einheitliches Niederlassungsrecht und einheitliche Zulassungsregeln für Dienstleister verlangen wird, wenn die Dienstleistungsrichtlinie nicht zur beabsichtigten Marktöffnung führt.

Im Bereich Justiz- und Innenpolitik schickt die Kommission einen dringenden Appell an das gestern eröffnete Ministertreffen in Tampere. Die Regierungen sollten endlich zu Mehrheitsentscheidungen übergehen. Vertraglich mögliche Spielräume müssten genutzt werden, um sich bei Fragen der Migration und der Terrorismusbekämpfung auf Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit unter Beteiligung des EU-Parlaments zu verständigen. Derzeit ist Einstimmigkeit erforderlich. Das führt zu einer völligen Lähmung, wenn 25 Justizminister und 25 Innenminister gemeinsam am Tisch sitzen.

Wie er seinen Lesern die vagen Projekte aus Brüssel nahebringen solle, fragte ein französischer Journalist am Ende der Präsentation. Die Kommission habe für mehr Preistransparenz bei Billigflügen gesorgt und die Handygebühren im Ausland gesenkt, antwortete Laitenberger. Wenn das keine Erfolgsbilanz ist.

DANIELA WEINGÄRTNER