Wenn die Kontaktperson zu viel weiß

Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf für Anti-Terror-Datei. Verschiedene Geheimhaltungsstufen sind möglich. Auch die Speicherung von Personen, die potenzielle Terroristen kennen, soll möglich sein. Der Datenschutzbeauftragte übt Kritik

AUS STUTTGART CHRISTIAN RATH

Die geplante Anti-Terror-Datei kann nach dem Zeitplan von Innenminister Wolfgang Schäuble bereits im nächsten März starten. Gestern verabschiedete die Bundesregierung den entsprechenden Gesetzentwurf. Erst vor zwei Wochen hatten sich die Innenminister von Bund und Länder über das Projekt geeinigt.

Für die Anti-Terror-Datei werden keine neuen Daten erfasst, sondern die bereits bestehenden Informationen der Sicherheitsbehörden besser vernetzt. Vor allem die Polizei will zur Verhinderung und Aufklärung von Anschlägen auf die Informationen der Geheimdienste zugreifen können. Die neue Zentraldatei sei „ein unverzichtbares Instrument im Kampf gegen den Terror“, sagte Schäuble gestern.

Erfasst werden in der Anti-Terror-Datei nicht nur islamistische Gotteskrieger, sondern auch potenzielle Links- und Rechtsterroristen sowie die jeweiligen Unterstützer und sogar deren „Kontaktpersonen“. Nicht-terroristische Extremisten (etwa Anhänger von Milli Görüs) werden nur gespeichert, wenn sie „gewaltgeneigt“ sind. Das Innenministerium lehnte gestern jede Spekulation über die Zahl der so erfassten Personen ab.

Zu jeder Person werden Grunddaten wie Name, Geburtsdatum und Anschriften gespeichert. Diese Grunddaten sind bei einer Anfrage sofort sichtbar. Zusätzlich werden außerdem 17 Arten von „erweiterten Grunddaten“ erfasst, die eine schnelle Einschätzung der Person ermöglichen. Hierzu gehören Angaben zu Beruf, Familienstand, Religionszugehörigkeit, aber auch zu Waffenbesitz oder Aufenthalt in terroristischen Ausbildungslagern. Bei bloßen „Kontaktpersonen“ dürfen nur dann zusätzliche Daten gespeichert werden, wenn die Person zumindest von Gewaltakten Kenntnis hat.

Diese erweiterten Grunddaten sind grundsätzlich nur einsehbar, wenn zuvor Kontakt zu der Stelle aufgenommen wurde, die die Daten gesammelt hat. So soll die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden verbessert werden. Nur wenn ein Anschlag unmittelbar bevorsteht, dürfen die erweiterten Grunddaten ohne vorherige Kommunikation eingesehen werden. Alle übrigen Informationen zu einem potenziellen Terroristen werden nicht in die Anti-Terror-Datei eingestellt. Hier wirkt die neue Zentraldatei nur noch als Indexdatei. Wer mehr wissen will, sieht, an welche Sicherheitsbehörde er sich wenden kann.

Mindestens 37 Behörden haben Zugriff auf die Anti-Terror-Datei, das heißt, sie dürfen Daten einstellen und abrufen: das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei (Ex-BGS), das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst sowie je 16 Landesämter für Verfassungsschutz, Landeskriminalämter und viele weitere Polizeibehörden der Länder. Zugriff haben dabei jedoch nicht der Schutzmann auf der Straße, sondern nur Anti-Terror-Spezialisten.

Der größte Widerstand gegen die Datei kam von den Geheimdiensten, die Angst vor einer Enttarnung ihrer Quellen hatten. Für sie wurden jetzt zwei Sonderregeln vorgesehen. So können zu einer Person bei besonderem Geheimhaltungsbedürfnis nur die Grunddaten gespeichert werden. Außerdem ist eine verdeckte Speicherung möglich, bei der nur der einspeichernden Behörde ein Treffer angezeigt wird. Diese kann dann entscheiden, ob sie Kontakt zur anfragenden Behörde aufnehmen will.

Die Datenschutzbehörden können, so der Gesetzentwurf, jederzeit Kontrollen durchführen. Dennoch kritisierte Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftragter, gestern das Vorhaben. Es sei nicht ausgeschlossen, das ungesicherte Informationen weitergegeben und auch Personen jenseits des terroristischen Umfelds erfasst werden.