„Die Monarchie ist der wichtigste Akteur“

Militär und Politik wurden manipuliert, um gegen Premier Thaksin zu putschen, meint der Politologe Kasian Tejapira

taz: Herr Tejapira, wie bewerten Sie als Politologe den Militärputsch in Ihrem Land?

Kasian Tejapira: Meines Erachtens handelt es sich hier um einen Coup der königstreuen Generäle. Die wollen den erwartbaren Wahlsieg von Premier Thaksin im November verhindern. Die Bevölkerung könnte einen derartigen Widerstand gar nicht organisieren, dafür ist sie ökonomisch zu sehr gespalten in reiche Stadt- und arme Landbevölkerung. Weil es keinen verfassungsmäßigen und demokratischen Weg gab, den autokratischen und korrupten Thaksin aus dem Amt zu entfernen, wurde das nun auf undemokratische und verfassungswidrige Weise erledigt.

Ist das das Ende des thailändischen Demokratisierungsprozesses?

Der Putsch ist ein großer Rückschlag und ein zu hoher Preis für die Entfernung Thaksins. Ich glaube nicht, dass das Militär eine strategische Entscheidung für die Einrichtung einer langfristigen Militärdiktatur getroffen hat. Ich denke, die Monarchie ist in diesem Spiel der wichtigste Akteur. Sie hat sich ihrer Anhänger in Militär und Politik bedient, um gegen Premier Thaksin vorzugehen.

Doch so ein Putsch ist wie ein Ritt auf dem Tiger: Es ist sehr schwer, wieder heil runterzukommen. Nach dem Putsch werden die Militärs um ihrer eigenen Sicherheit willen eine Menge Vorkehrungen treffen müssen. Das bedeutet auch, dass sich Thailands Politik in Zukunft wieder mehr um den Einfluss und die Intervention des Militärs drehen wird.

Stimmt es denn, dass Thaksin Konflikte mit dem Militär hatte?

Ja, Thaksin hat als Premier immer versucht, seine Vertrauten in wichtige Militärpositionen zu bringen. Damit war er zunehmend auf Protest von Seiten des Militärs und des Königspalastes gestoßen.

Welche Rolle spielt der König bei alldem?

Eine große. In den letzten beiden Monaten hat die Monarchie den Widerstand des Militärs gegen die Regierung gebilligt. Der König hat versucht, über den ehemaligen Premierminister General Prem Einfluss zu nehmen. So hat Prem in einer aufsehenerregenden Ansprache an die Armee das Militär mit einem Pferd und die Regierung mit dessen Reiter verglichen: Der Reiter kann das Pferd reiten, aber er besitzt es nicht – denn das Pferd gehört eigentlich der Nation und der Monarchie … Nun hat das sture Pferd seinen dummen Reiter abgeworfen.

Kann das Militär die gespaltene Thai-Bevölkerung vereinen?

Bis zu einem gewissen Grade ja. Zwar ist die ländliche Bevölkerung auf der Seite Thaksins, aber er hat keine wirkliche Massenbasis auf dem Land. Ich glaube nicht, dass sich Thaksin auf die Bauern berufen könnte, um gegen das Militär vorzugehen – noch dazu, wenn der Putsch und die neue Regierung vom König gutgeheißen werden. Das heißt, die Idee von einer Art staatlicher Einheit kann aufrechterhalten werden, doch der tiefe sozioökonomische und politische Graben könnte sich als Ergebnis dieser Entwicklung noch weiter vertiefen.

INTERVIEW: RUTH STREICHER