Marschbefehl erteilt

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Am Ende, als alle Argumente ausgetauscht waren, verlief die historische Mission ganz unspektakulär. Zum ersten Mal in seiner Geschichte gab der Bundestag den Marschbefehl für deutsche Soldaten in den Nahen Osten – mit klarer Mehrheit. 442 Parlamentarier stimmten für den Einsatz der deutschen Marine im Libanon, 152 dagegen, 5 enthielten sich. Aus den Regierungsfraktionen kamen 44 Neinstimmen; 32 aus der SPD, 12 aus der Union. In der FDP-Fraktion folgten nicht alle dem strikten Antikurs ihres Vorsitzenden Guido Westerwelle; 8 Abgeordnete stimmten mit Ja. Die Linksfraktion lehnte den Einsatz geschlossen ab. Bei den Grünen gab es 6 Neinstimmen, darunter die von Christian Ströbele und Winfried Hermann.

Im zweiten Teil der Debatte – die erste Lesung des entsprechenden Beschlusses hatte am Dienstag stattgefunden – waren noch einmal die bekannten Argumente zu hören. Dennoch gab es an diesem Mittwoch drei Auffälligkeiten: Befürworter wie Gegner des Einsatzes bekundeten häufig ihren Respekt, den sie vor der Haltung des jeweils anderen hätten. Der Vorwurf insbesondere der Regierung, die FDP würde ihre große außenpolitische Tradition verraten, zeigte bei einigen Liberalen Wirkung. Und die Grünen, die lange ihr Jein vor sich hergetragen hatten, waren am Ende die lautesten Befürworter.

Zur Begründung des Regierungsantrages hatte die Kanzlerin höchstselbst in die Debatte im Plenum eingegriffen – alles andere als eine parlamentarische Selbstverständlichkeit. Angela Merkel bemühte noch einmal den Begriff von der „historischen Dimension“ der Entscheidung. Als wichtigste Voraussetzung für den Einsatz der Bundeswehr nannte sie die Zustimmung sowohl der israelischen als auch der libanesischen Regierung. Insbesondere die Bitte des israelischen Premiers Ehud Olmert an die Deutschen wertete Merkel als „ein Zeichen des Vertrauens“.

Die militärische Umsetzung der UN-Resolution 1701 bezeichnete die Kanzlerin als „zwingend notwendig“. Ohne einen neuen politischen Friedensprozess im gesamten Nahen Osten jedoch, fügte sie hinzu, wäre die Resolution letztlich wirkungslos. Gemeinsam mit den USA müssten die Europäer den Friedensprozess nun energisch wieder anschieben: „Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen.“ Merkels Resümee war umfassend: Der UN-Einsatz im Libanon liege im Interesse der Konfliktparteien, Europas und Deutschlands. Letztlich diene er sogar dem Kampf gegen den islamistischen Terror, habe dieser doch einen Teil seiner Ursachen im Nahostkonflikt.

Beim Streit zwischen Regierung und Opposition gehe es nicht um das Ob des Einsatzes, sondern um das Wie, hatte zuvor Wolfgang Gerhardt gesagt. Der Liberale, der selbst gern einmal Außenminister geworden wäre, hatte damit angedeutet, dass er der Nahost-Kontroverse die Schärfe nehmen wollte. Er warnte vor „Überhöhungen“ in der Debatte, und wer wollte, konnte daraus auch eine Ermahnung an seinen eigenen Partei- und Fraktionschef heraushören. Gerhardt kritisierte, das Mandat für den UN-Einsatz sei „zu schmal“, es fehle die „politische Begleitung“.

Westerwelle begründete sein Nein wenig später mit grundsätzlicheren Argumenten. Von deutschen Soldaten werde bei dem Einsatz im Nahen Osten strikte Neutralität verlangt. Angesichts der deutschen Geschichte sei diese Neutralität gegenüber Israel aber unmöglich. Was wäre, fragte Westerwelle, wenn die libanesische Regierung die Kontrolle ihrer Küste nicht ausüben könne und Israel dann selbst eingreife. „Müssen wir das unterbinden? Dürfen wir das unterbinden? Wollen wir das unterbinden?“ Der FDP-Chef bezeichnete es als „nicht ehrenrührig, Zweifel an der Richtigkeit dieses Einsatzes zu haben“ und kündigte mit Riesenstaatsmann-Miene an, dass seine Fraktion trotz ihres Neins hinter der Bundeswehr im Nahen Osten stehen werde.