schurians runde welten
: Vier Tage im Dixie-Klo

„Ich glaube nicht, dass Druck nötig ist, um besser zu spielen.“ (Felix Magath)

Wir lieben Täler, luftige Höhen – die Fallhöhe gehört halt zum tonnenschweren teutonischen Wortschatz. So schwer liegt Fallhöhe im Magen, dass ich lange nicht kapiert habe, was es damit auf sich hat. Heute weiß ich, es geht um das Ikarus-Ding, wer hoch steigt, kann tief fallen. Und von diesem Spannungsbogen lebt die ganze Medienblase. In jedem Spiegel lesen wir von irgendeinem verzweifelten Amtsträger vor dem Nichts. Und natürlich ist das nichts als ein pfiffiger Kunstgriff, um die Leser bei der Stange zu halten. Die Amerikaner haben das Cliffhanger getauft – was zeigt, dass sie sich auch jenseits des Atlantiks an solchen Fällen erfreuen.

Manchmal wird die Fallhöhe sogar auf Fotopapier gebannt. Habe in dieser Woche eine erschreckende Aufnahme gesehen. Sie zeigt eine mobile Plastiktoilette, wie sie auf Baustellen anzutreffen ist. Gerade öffnet ein adretter Golfspieler namens Tiger Woods die Tür. Was mich an den widerlichsten Ort meines Lebens zurückdenken lässt.

Der stand in Polen, in Poznan, neben dem Vereinsheim, in dem ich mehrere Stunden lang auf das schroffe kurze Grußwort eines ehemaligen Hooligans wartete, der in die Geschäftsführung des Fußballclubs aufgerückt war. Später sahen wir ein Zweitligaspiel in einem Stadion, dessen Flutlichtmasten wie vier Skisprungschanzen aus der graubraunen Landschaft ragten. Während wir also auf die Worte vom Funktionär warteten, gab es Kaffee. Bald musste ich aufs Klo. In das Vereinsheim strömten Menschen, holten sich Spielprogramme oder Eintrittskarten, Ordnerleibchen ab, nur ein Klo gab es nicht. Das stehe vor der Tür, sagten sie und wiesen auf einen aus Asbest zusammengeklebten Verschlag. Ich machte die Klotür auf, was ich dort erlebte, ist unbeschreiblich.

Auf der Aufnahme aus Kildare County scheint Tiger Woods, mit den Fotografen zu scherzen, was zwei Schlussfolgerungen zulässt: Er weiß noch nicht, was ihn in der Kabine erwartet, weil es in den USA auf Golfplätzen unterirdische Badezimmer mit goldenen Armaturen gibt. Oder er hat sich an die mobile Notdurft gewöhnt und die Millionengagen für Turniersiege sind auch deshalb berechtigt, weil die Champions vier Tage lang aufs Dixie-Klo müssen.

24.9. Bochum – Bielefeld

Wohin oder worauf Benjamin Auer, Bochums enttäuschender Neuzugang, gehen muss, ist nicht bekannt. Er leide an einem geheimnisvollen Virus, heißt es. Die Seuche hatte der VfL samt Stefan Kuntz schon einmal – damals wurde abgestiegen. Wie geschwächt präsentiert sich der Aufsteiger gegen die Bayernbesieger? CHRISTOPH SCHURIAN