Metallindustrie
: Der Zukunft zugewandt

Nach Jahren magerer Tarifabschlüsse kann die IG Metall wieder feiern. Für die 85.000 Stahlkocher im Nordwesten hat die Gewerkschaft ein mehr als ordentliches Ergebnis erzielt. Doch wichtiger als der tiefe Schluck aus der Pulle, als die anstehende Lohnerhöhung um 3,8 Prozent ist die Innovation, die in dem Vertrag steckt: Zum ersten Mal überhaupt haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Tarifverhandlungen mit den Fragen der alternden Gesellschaft, mit dem Problem der immer länger werdenden Lebensarbeitszeit beschäftigt.

KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA

Gefragt sind jetzt die Unternehmen und Betriebsräte vor Ort. Sie müssen die zunächst unverbindlichen Absichtserklärungen mit Leben füllen, damit die in der nächsten Tarifrunde festgeklopft werden können. Wichtig aber ist das Signal, dass bereits heute von der Einigung ausgeht: Unter den jetzigen Arbeitsbedingungen sind verlängerte Lebensarbeitszeiten, ist die Rente erst mit 67 schlicht nicht machbar. Nicht nur in der Stahlindustrie können Arbeitnehmer, die mit einem staatlich geförderten Vorruhestand ab 55 gerechnet haben, nicht einfach 12 Jahre weitermachen – manch einer würde den eigenen Renteneintritt nicht mehr erleben.

Der Zukunft zugewandt ist auch die Botschaft, die die IG Metall darüber hinaus in Richtung SPD und besonders an deren Vizekanzler und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering ausstrahlt. Völlig zurecht verweist die Gewerkschaft auf die drohende Überalterung vieler Betriebe und die Konsequenz für Jüngere: Je länger die Alten im Betrieb bleiben, desto weniger Jobs stehen für junge Leute nach der Ausbildung zur Verfügung. Die von Müntefering angestrebte Sanierung der Rentenkasse durch eine längere Lebensarbeitszeit wird so zur Farce, glauben nicht nur die Gewerkschafter. Völlig zu Recht setzen sie weiter auf intelligente, flexible Vorruhestandsregelungen – mag die Politik auch noch so oft „basta“ schreien.