Schluss mit Ladenschluss

Fast im ganzen Norden dürfen die Geschäfte spätestens ab kommendem Januar rund um die Uhr öffnen. Über die Konsequenzen gibt es Streit. Die Handelskammer jubelt, die Gewerkschaft sorgt sich um die Gesundheit der Verkäuferinnen

Von MARCO CARINI

Einkaufen rund um die Uhr – spätestens im Januar kommenden Jahres wird dieser Konsumententraum fast überall im Norden Wirklichkeit. Die Wirtschaftsbehörden von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg planen, die Ladenöffnungszeiten zum Jahresbeginn 2007, vielleicht aber auch schon zum Weihnachtsgeschäft freizugeben.

„Spätestens zum 1. Januar fällt der Ladenschluss“, kündigte der Schleswig-Holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Ausstermann diese Woche in Kiel an. Sein Konzept hat er auf die griffige Formel „6 mal 24“ gebracht. Von montags bis samstags sollen alle Läden öffnen können, wann sie wollen.

Sonntage und Feiertage hingegen sollen weiterhin generell Ruhetage bleiben. Ausnahmen werden nur die Regel bestätigen – bis zu viermal im Jahr sollen die Einzelhandels-Kassen auch sonntags klingeln dürfen.

Austermann steht mit seiner Initiative nicht allein. Seit mit der Föderalismusreform die Regelung der Öffnungszeiten an die Länder überging, ist zwischen Kiel, Hannover und Hamburg ein Wettlauf um die Abschaffung des Ladenschlusses ausgebrochen. Bereits im August kündigte Austermanns Hamburger Amtskollege Gunnar Uldall (CDU) an, ab Januar 2007 das Shoppen werktags rund um die Uhr zu erlauben. Der entsprechende Gesetzentwurf befindet sich gerade in der Abstimmung mit den Verbänden und Kirchen und soll noch bis Jahresende vom Senat beschlossen und von der Bürgerschaft abgesegnet werden.

Auch Niedersachsen setzt ab Januar 2007 auf „6 mal 24“. Wirtschaftsminister Walter Hirsche (FDP) will aber darüber hinaus in den Touristik-Hochburgen des Landes – etwa in den Nordsee-Kurorten – weitergehende Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen durchsetzen.

Nur in Bremen steckt die Ladenschluss-Debatte noch in den Kinderschuhen. „Wir diskutieren das Thema, aber es gibt noch keine Linie“, erklärte die Sprecherin des zuständigen Arbeitsministeriums, Heidrun Ide, gestern gegenüber der taz.

Während die Wirtschafts- und Handelsverbände jubilieren, die Kirchen sich vor allem an das Verbot der Sonntagsarbeit klammern, warnen die Gewerkschaften vor einer vollständigen Freigabe der Öffnungszeiten. So sammelt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di-Nord derzeit eifrig Unterschriften gegen die geplante Regelung.

„Was das Kieler Wirtschaftsministerium unter der populistischen Formel 6 mal 24 als Fortschritt zu verkaufen sucht, bringt weder mehr Umsatz noch mehr Beschäftigung “, sagt Conny Töpfer, ver.di-nord-Bereichsleiterin für den Handel. Da kein Euro „zweimal ausgegeben werden“ könne, führten erweiterte Ladenschlusszeiten „nur zu einem verschärften Verdrängungswettbewerb zu Gunsten der großen Handelsketten“ mit „verheerenden Folgen“ für kleinere Betriebe. Zudem werde durch Nacht- und Sonntagsarbeit „das Familienleben zerstört“.

Seit der Verlängerung der Öffnungszeiten im Jahr 2003 seien die Umsätze nachweislich nicht gestiegen, dafür aber bundesweit eine Viertelmillion Vollzeitarbeitsplätze im Einzelhandel gestrichen oder durch Mini-Jobs ersetzt worden, sagt Töpfer. Viele kleine Einzelhändler seien in dieser Zeit von der Bildfläche verschwunden.

Sollten die Landesregierungen aber dennoch an der Ausweitung der Öffnungszeiten festhalten, sollte auf die betroffenen Beschäftigten Rücksicht genommen werden. Da 70 Prozent der Einzelhandels-MitarbeiterInnen Frauen seien, müsse der Schutz der Familie und – vor dem Hintergrund der drohenden Nachtarbeit – auch der Schutz der körperlichen Unversehrtheit in die Ladenschluss-Gesetze aufgenommen werden.

Die Hamburger Handelskammer dagegen begrüßt die geplante Abschaffung des Werktags-Ladenschlusses. „Das ist schon lange unsere Position und auch die Position der Hamburger Wirtschaft“, freut sich der zuständige Abteilungsleiter der Kammer, Heiner Schote. Dass durch die Abschaffung der Öffnungsbeschränkungen einer weiteren Verdrängung kleinerer Läden durch große Handelsketten Vorschub geleistet wird, kann Schote „nicht erkennen“.

Dort, wo auch abends noch viel los sei – etwa in den Hamburger Amüsiermeilen – bringe die geplante Regelung „gerade den kleineren Geschäften zusätzliche Umsatzchancen“. Der Mittelstand sei „sehr flexibel und kann davon profitieren“, glaubt der Handelskammer–Mann.

Die Kammer will sogar noch weiter gehen und mindestens einen Adventssonntag für den Handel freigeben. Mit diesem Vorschlag stößt sie jedoch auf Granit. „Da haben wir dann doch einen sehr christlichen Senator“, sagt ein Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde.