Wer ist hier jung?

Seit gestern wird wieder über die Jugend debattiert – der 15. Shell-Studie sei Dank. Warum rebelliert sie nicht? Und warum ist sie wertebewusst? Interessante Fragen. Aber wer braucht dazu eine Studie?

VON KIRSTEN REINHARDT

Endlich, ein neuer Generationenkonflikt! Haben die junggebliebenen Alten nicht immer bemängelt, die Jugend würde nicht rebellieren? Dank der 15. Shell-Jugendstudie wissen wir seit gestern: Jugendliche empfinden die Generation der „Jungen Alten“ zuweilen als Ärgernis und Konkurrenz.

Aber wem dient dieses Ergebnis eigentlich? Den Jugendlichen? Den Eltern? Wirtschaft oder Politik? Als der Energiekonzern im Jahr 1952 zum ersten Mal junge Menschen zwischen 15 und 25 befragte, war das Ziel, „neuartige Informationen über die deutsche Jugend zu erlangen“. Mitte der 60er ging es um Freizeit, Pop und Partys; 1977 um die Eingliederung der Jugend in die Erwachsenenwelt. Als wegweisend für die Jugendkulturforschung gilt die Studie von 1981. Erstmals gingen Forscher auf Augenhöhe und entdeckten fremdartige Biotope des „expressiven Jugendstils“: Popper, Punks, Hausbesetzer und Disco-Freaks. Die aktuelle Studie steht unter dem Motto „Jugend in einer alternden Gesellschaft“.

Während Teenager die Großeltern laut Studie respektvoll als „Aufbaugeneration“ titulieren, sind ihnen die „Jungen Alten“ ein Dorn im Auge: Eltern, die besser wissen, wie man den Joint fachgerecht dreht und mit welchen Haarwachs der Iro steht.

Passend fällt dazu ein weiteres Ergebnis der Studie aus: die Werteverschiebung. Derzeit blicken Jugendliche resignativ-realistisch in die Zukunft. So überholen Werte wie „Fleiß“ und „Ehrgeiz“ in ihrer Priorität etwa „Umweltbewusstsein“; ganz oben stehen „Partnerschaft“ und „Familienleben“. Die Rückkehr zu Tradition als Antwort auf eine Gesellschaft, die keinen Halt mehr gibt – diese Tendenz ist ja seit einigen Jahren allerorts zu beobachten. Sei es in der Renaissance altmodischer Kindernamen oder in der jüngsten Beschwörung von Zucht und Ordnung.

Die Ergebnisse der Shell-Studie sind so gesehen interessant, ermöglichen sie doch Rückschlüsse auf die zukünftige Gesellschaft. Doch letztlich spiegeln sie bloß Diskurse, die längst geführt werden. Vielleicht ist auch das Konzept der Jugend, von der sich die Studie vor über 50 Jahren „neueste Erkenntnisse“ erhoffte, überholt. Wer ist heute nicht jugendlich, fragt man sich angesichts des Jugendwahns und der Berufsjugendlichen. Abgrenzungsmöglichkeiten für „echte Jugendliche“ sind rar. Aber das dürfte wenigstens die „Jungen Alten“ bestätigen.